Kommt! Am Montag, 26.10., 6.30 Uhr, zur Ausländerbehörde Hannover

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Kundgebung „Hannover ist unsicherer Hafen – Papiere statt Nummern!“ am 26.10.2020 vor der Ausländerbehörde

Hannover ist unsicherer Hafen.
Papiere statt Nummern!

Kundgebung vor der Ausländerbehörde
(Am Schützenplatz 1, 30169 Hannover)
Montag, 26.10.2020, 06.30 Uhr

Die nächtliche Schlange vor der Ausländerbehörde mag sich aufgelöst haben. Die Stadt findet Wege, das rassistische Elend unsichtbar zu machen. Aber die Menschen sind noch da – ohne Sicherheit.

Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist die Ausländerbehörde noch schwieriger zu erreichen als sowieso schon üblich. Vergeblich haben in den letzten Wochen und Monaten viele Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit versucht einen Termin bei der Ausländerbehörde zu vereinbaren. Dies führte dazu, dass die Menschen vermehrt persönlich die Ausländerbehörde aufgesucht haben und sich vor dem Gebäude lange Warteschlangen bildeten. Die Ausländerbehörde hat pro Tag 100 Nummern vergeben. Die Menschen, die keine Nummer bekommen haben, sollten am darauffolgenden Tag wiederkommen. Um eine dieser Nummern zu ergattern, stellten sich die Menschen bereits morgens um 4 Uhr an und mussten stundenlang warten bis die Behörde öffnete.

Aktuell gibt es Zugeständnisse von Verwaltung und Politik, die menschenunwürdigen Verhältnisse bei der Ausländerbehörde anzugehen. Ein Onlineformular zur Terminvereinbarung wurde eingerichtet; ein Besuch ist nur noch mit Voranmeldung möglich. Dieses Onlineformular schaltet sich beim „Erreichen der Spontankund*innenbedienkapazität“ automatisch ab. Der Wettbewerb um einen Termin wird in der darauffolgenden Woche wieder eröffnet.

Die Menschen aus den Warteschlangen werden unsichtbar gemacht. Damit mag sich die Landeshauptstadt wohler fühlen – für die Betroffenen indes ist nichts erreicht.

Die Zustände werden sich durch das neue Verfahren nicht ausschlaggebend verbessern. Sicherlich werden weniger Menschen morgens bzw. nachts in der Kälte die Ausländerbehörde aufsuchen. Dennoch werden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit weiterhin langen Wartezeiten für einen Termin bei der Ausländerbehörde ausgesetzt sein, sodass sie ihre Anliegen nicht (rechtzeitig) erledigt können. Dies wird weiterhin zur Folge haben, dass die Menschen keine gültigen Aufenthaltspapiere bei bspw. Polizeikontrollen vorzeigen können oder die Polizei über die ausgestellten Ersatzpapiere nicht informiert ist und diese dann oftmals nicht anerkennt. Ohne gültige Aufenthaltspapiere wird es weiterhin Schwierigkeiten geben, Leistungen vom Sozialamt und Jobcenter (pünktlich) zu erhalten oder aber eine Arbeit/Ausbildung aufzunehmen. Auch eine – auf dem rassistisch strukturierten Wohnungsmarkt ohnehin erschwerte – Wohnungsanmietung ist unter diesen Umständen unvorstellbar.

Es hilft nicht, wenn 100 Menschen pro Tag ihr „Anliegen vortragen“ dürfen. Das Vorgehen der Landeshauptstadt verschärft die prekäre Situation der Menschen, die in rassistischen Verhältnissen auch außerhalb einer Pandemie Unsicherheit, Schikane und Diskriminierung ausgesetzt sind.

Wir tragen also ohne Terminvereinbarung unser Anliegen vor:
Beendet den Wettbewerb um Lebenschancen!
Schluss mit der Elendsverwaltung!
Gebt den Menschen Papiere!

Kundgebung vor der Ausländerbehörde
26.10.2020, 06.30 Uhr

Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hannover

 

Siehe dazu auch den offenen Brief von2

Hannover Solidarisch

Veröffentlicht am 18. September 2020 von solinet

Offener Brief der Initiative Solinet Hannover (im Anhang als PDF mit allen Unterzeichnerinnen, z.B. auch der Roten Hilfe e.V: OG Hannover)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Belit Onay,

wir möchten Ihnen in diesem offenen Brief unsere Erfahrungen und Eindrücke in Bezug auf die derzeitige Bearbeitungspraxis der Ausländerbehörde schildern und bitten Sie, umgehend Maßnahmen zu ergreifen. Die Erreichbarkeit der Ausländerbehörde muss verbessert sowie das Verfahren für die Wartenden vor der Ausländerbehörde geändert werden, um einen menschenwürdigen Umgang dort sicherzustellen und eine zuverlässige Bearbeitung der Anliegen zu gewährleisten. Wir schildern Ihnen Erfahrungen von Geflüchteten und Migrantinnen sowie Erlebnisse von Unterstützerinnen, die Menschen zur Ausländerbehörde begleitet und sich vor Ort selbst ein Bild von der Lage gemacht haben.

Auf der Homepage der Ausländerbehörde steht: „Aufgrund der Corona-Pandemie und geltender Schutzvorschriften können wir derzeit leider nur für eine begrenzte Anzahl von Kundinnen öffnen. Derzeit können Sie montags, dienstags und mittwochs ab 8 Uhr bedient werden, donnerstags ab 13 Uhr. Bitte beachten Sie, dass es aufgrund der äußerst hohen Nachfrage und der geltenden Beschränkungen möglich ist, dass Sie nicht in die verfügbare Tageskapazität fallen. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Ausweitung der Kapazitäten“. Weiter heißt es, dass Termine per Telefon oder per Mail vergeben werden. Tatsächlich jedoch ist die Ausländerbehörde seit geraumer Zeit telefonisch so gut wie nicht zu erreichen. Viele versuchen vergeblich, per E-Mail Kontakt und Termine zu bekommen.

Auch Beratungsstellen bestätigen die schlechte Erreichbarkeit der Behörde und die Folgen für die Betroffenen. Beispielsweise würden Leistungen eingestellt, Arbeitserlaubnisse nicht erteilt, es komme zu Schwierigkeiten beim Jobcenter, mit der Krankenversicherung, Mietangelegenheiten, etc.

Die Ausländerbehörde behält sich eine Bearbeitungszeit von zwei Wochen für eingehende E-Mails vor und bittet, innerhalb dieser Zeit von Rückfragen abzusehen. Dennoch erfolgt eine Rückmeldung oftmals erst nach mehr als zwei Wochen. Einige Anliegen bedürfen allerdings einer dringenden Klärung, gerade wenn es um existenzielle Fragen geht. Durch den Bearbeitungsstau in der Ausländerbehörde und die Unerreichbarkeit geraten Geflüchtete und Migrantinnen immer wieder in Notlagen und können irreversible Nachteile erfahren.

Pro Tag werden ca. 70 schwarze und ca. 30 grüne Wartenummern für Kundinnen mit „Spontananliegen“ vergeben. Um eine solche Nummer zu erhalten, müssen sich die Betroffenen morgens bereits um 05:00 Uhr vor der Ausländerbehörde einfinden, wobei die Nummern erst zwischen 07:30 Uhr und 08:00 Uhr ausgegeben werden.

Ein Betroffener bspw. hat zunächst um 06:00 Uhr versucht, eine dieser Nummern zu bekommen – ohne Erfolg. Am nächsten Morgen versuchte er es um 04:00 Uhr und musste sich da bereits in eine Schlange von 80 Menschen einreihen, darunter Familien, Alleinerziehende mit ihren (Kleinst-) Kindern und Schwangere. Sie alle befürchten, andernfalls keinen Termin für den Tag mehr bekommen. Hinzu kommt, dass es um diese Uhrzeit kalt ist und es weder Sitzgelegenheiten noch Sanitäranlagen gibt.

Rechtzeitig einen Termin zu bekommen, ist existenziell. Wenn Aufenthaltspapiere ablaufen, erhalten die Betroffenen keine Sozialleistungen mehr. Deshalb haben sie Angst, ihre Miete nicht zahlen und sich nicht mehr versorgen zu können. Auch die Arbeitserlaubnisse und Krankenversicherungen hängen an gültigen Papieren. Ein junger Mann mit in Deutschland abgeschlossenem Studium hatte mehrere Bewerbungsgespräche. Doch da es ihm nicht rechtzeitig möglich war, einen Termin für eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, konnte er keine Stelle antreten. So wie ihm geht es auch zahlreichen anderen Menschen, die aufgrund der noch fehlenden Arbeitserlaubnis Praktika, Arbeits- oder Ausbildungsstellen nicht antreten können, da sie keinen Termin erhalten, um eine Arbeitserlaubnis beantragen zu können oder ihre Aufenthaltspapiere zu verlängern. Arbeitgeberinnen können Arbeitsplätze in der Regel nicht lange freihalten.

Selbst wenn es die Möglichkeit gibt, Anträge, wie den auf Erteilung einer neuen Arbeitserlaubnis, schriftlich zu stellen, ist das den Betroffenen oft nicht bewusst. Neben dem Wissen um die Abläufe fehlen ihnen zudem oftmals die notwendigen Mittel. Ohne Computer, ohne Drucker und ohne Unterstützung fühlen sich viele Betroffene stark verunsichert, wenn nicht gar handlungsunfähig. Sie brauchen den direkten Kontakt zu den Behörden, um ihre Anliegen klären und Unsicherheiten abbauen zu können. Viele Menschen benötigen die entsprechenden Formulare einschließlich deren Erläuterung sowie Unterstützung beim Ausfüllen und eine individuelle Rückmeldung über die voraussichtliche Dauer der Bearbeitungszeit.

Die Menschen, die draußen stundenlang für einen Termin/eine Nummer und weiter für den Einlass anstehen müssen, sind zermürbt und oft verzweifelt. Viele sind unseres Erachtens keine „Kundinnen mit Spontananliegen“, sondern warten gezwungenermaßen dort, weil sie keine andere Möglichkeit haben.

Darüber hinaus ist es inakzeptabel, wenn die wartenden Kundinnen aufgrund der personellen Engpässe vom Security-Dienst koordiniert werden. Dieser ist nicht dafür ausgebildet.

Die Bearbeitung der Anliegen muss zügig erfolgen, die Behörde muss erreichbar sein und die Erreichbarkeit verständlich in den benötigten Sprachen kommuniziert werden!

 

Artikel dazu aus der Taz:

Warteschlangen vorm Ausländeramt: Anstellen nachts um 4 Uhr