Am heutigen Freitag, 1. April 2022, fand der Berufungsprozess gegen „Ella“ am elften Verhandlungstag sein befürchtetes Ende: Indem das Landgericht Gießen eine Haftstrafe von 21 Monaten verhängte, hält es weiterhin an seiner Verfolgungswut gegen die Klimaaktivistin fest.
Zwar ist die Haftdauer niedriger als in der ersten Instanz, die ein Urteil über 27 Monate Gefängnis ausgesprochen hatte, aber die Beweise sind in der Berufungsverhandlung wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Angesichts des eindeutigen Videomaterials mussten die polizeilichen Hauptbelastungszeugen einräumen, in ihren Aussagen gelogen zu haben; sie waren nachweislich zu keinem Zeitpunkt gefährdet, wie sie zuvor behauptet hatten. Der konkrete Vorwurf gegen „Ella“, die weiterhin ihren Namen den Repressionsorganen nicht preisgibt, besteht in einer abwehrenden Beinbewegung, die sie bei der Räumung der Baumdörfer im Dannenröder Wald im November 2020 in Richtung eines SEK-Beamten gemacht haben soll. Dieser packte die Waldbesetzerin in 15 Metern Höhe am Bein und versuchte, sie in die Tiefe zu ziehen. Dabei schlugen die Beamten Ella mit Fäusten und einem Metallschloss. Obwohl die Beinbewegung hingegen keinen Beamten berührte, dient sie als Vorwand, um die Aktivistin seit nunmehr fast eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft zu halten. Selbst nachdem die SEK-Beamten ihre Falschaussagen eingestanden hatten, verweigerte der Richter eine Haftprüfung.
„Das heutige Urteil klingt nach einem schlechten Aprilscherz, aber es ist leider traurige Realität einer Justiz, die sich die Klimabewegung zur neuen Zielscheibe auserkoren hat“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.. „Schon das Urteil am Montag, mit dem den Profitinteressen des Energieriesen RWE Vorrang vor dem Klimaschutz eingeräumt und das Dorf Lützerath zur Zerstörung freigegeben wird, hat gezeigt, dass die Justiz Klimazerstörung als schützenswertes Ziel betrachtet und jegliche Gegenwehr dagegen zu unterbinden versucht. An Ella soll nun ein abschreckendes Exempel statuiert werden, um die Klimabewegung einzuschüchtern,“ fügte Sommerfeld hinzu.
„Doch das wird ihnen nicht gelingen: Weder lässt sich Ella entmutigen noch die Aktivist*innen, die sich weiterhin gegen die Zerstörung des Planeten einsetzen – ob mit Baumbesetzungen, Autobahnblockaden oder den Protesten im Lützi. Wir als Rote Hilfe e. V. stellen diesen Angriffen der Justiz unsere Solidarität entgegen und unterstützen Ella ebenso wie alle anderen Klimaaktivist*innen, die von Repression betroffen sind. Freiheit für Ella und alle anderen politischen Gefangenen!“
siehe auch:
A49-Baumbesetzerin zu Haft verurteilt – Tumult im Gericht
Ella im befristeten Hungerstreik! Und mehr zu Ella….
Ella erneut verurteilt! und das Schlusswort von Ella im Prozess
Skandalurteil gegen Klimaaktivistin
“Trotz revidierter Zeugenaussagen: erneut Haftstrafe wegen Gewalt gegen Polizisten im Berufungsverfahren
Von Clara S. Thompson
… „Die Verteidigerinnen von »Ella«, Waltraut Verleih und Eva Dannenfeldt kritisierten die Darstellungen der Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer scharf. Dannenfeldt sagte zur Einlassung Fischers, »Ella« habe den Rechtstaat mit Füßen getreten: »Der Rechtstaat, den die Staatsanwaltschaft meint, hat sich in diesem Verfahren in einen grünen Anzug und eine Sturmhaube eingehüllt. Er hat gelogen und falsch ausgesagt.« Die Anwältin spielte damit darauf an, dass die SEK-Beamten, die auch als Nebenkläger auftraten, in der Zeugenvernehmung vermummt und anonym aufgetreten waren.
Die Anklage habe sich fast gänzlich auf die fehlende Sicherung der beiden SEK-Beamten gestützt, argumentierte die Verteidigung weiter. Die Polizisten hätten nun aber eingeräumt, falsch ausgesagt zu haben: sie seien doch gesichert gewesen. Auch sieht Dannenfeldt keine Beweise dafür, dass das Knie ihrer Mandantin einen Polizisten getroffen habe. Dies gehe aus den vorliegenden Videoaufnahmen von der Räumung des Dannenröder Waldes nicht hervor. Damit hätten die Beamten ihre Glaubwürdigkeit stark eingebüßt, zumal sie bereits in der Vergangenheit widersprüchliche Aussagen bezüglich ihrer Verletzungen sowie ihrer Sicherung getroffen. »Die Anklage ist gescheitert«, fasste Dannenfeldt zusammen und forderte die Einstellung des Verfahrens.“ …
“Jana Frielinghaus zum Urteil gegen Klimaaktivistin »Ella«
Polizisten, die ihren eigenen früheren Aussagen widersprechen, Gewaltvorwürfe, die sich nicht aufrechterhalten ließen: Eine Einstellung des Verfahrens gegen Klimaaktivistin »Ella« wäre das Gebot der Stunde gewesen. Zumal sie bereits 16 Monate ununterbrochen im Gefängnis sitzt. Ließ sich die überlange Haft vor dem Berufungsprozess noch damit rechtfertigen, dass Ella ihre Identität nicht preisgeben will, so hätten die Zeugenaussagen der vermeintlich Geschädigten ihre Freilassung spätestens jetzt erfordert.