Zu Gast sind die Regisseure Christian Lehmann-Feddersen & Alf Schreiber
Dokumentarfilm zu den gesellschaftspolitischen Nachwehen des G20-Gipfels 2017 in Hamburg.
Christian Lehmann-Feddersen & Alf Schreiber, D, 2024, 97 Min.
Über die Politik der Feindschaft und was wir dagegen tun: In einer Langzeitbeobachtung dokumentieren die Filmemacher Christian Lehmann-Feddersen und Alf Schreiber die gesellschaftlich-politischen Nachwehen des G20-Gipfels in Hamburg. Während Aktivist*innen dem juristischen Nachspiel ausgesetzt sind, formieren sich im Schatten des Gipfels das kapitalistische System und der Widerstand neu.
In den endlosen Krisen bilden sich aber auch neue Bewegungen. So organisieren sich migrantische Beschäftigte, um die Grundrechte, das Recht auf Streik, für gerechte Bezahlung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Geflüchtete Frauen organisieren sich in feministischen Zusammenschlüssen wie “NiNa Women in Action” und “Women in Exile”.
Wir sind so frei
Der G20 Gipfel im Juli 2017 in Hamburg war für die kapitalismuskritischen Bewegungen Europas Anlass des gemeinsamen Protests gegen diese Machtdemonstration der weltbeherrschenden Kräfte über alle politischen Differenzen hinweg. Der Film begleitet Teilnehmer und Teilnehmerinnen der damaligen Proteste. Er zeigt wie sie Opfer ungebremster Polizeigewalt, zeitweiliger Inhaftierung und bis heute andauernder Strafverfolgung wurden. Trotz dieser persönlichen Demütigungen und Repressionen kämpfen sie weiter für den Erhalt des uneingeschränkten Demonstrationsrechts und für eine freie Gesellschaft. Für ein anderes Grundrecht, das Recht auf Streik, für gerechte Bezahlung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen kämpfen die in Europa besonders unter Druck stehenden migrantischen Lohnabhängigen. Zigtausende ihrer Landsleute sind auf ihrem Weg zu uns ertrunkenen und verdurstetet. Die es hierher geschafft haben, werden wie Stückgut in Lagern untergebracht. Der Film zeigt, wie diese Menschen von einstmals selber geflüchteten Frauen in feministischen Zusammenschlüssen wie „NiNa Women in Action“ und „Women in Exile” beeindruckend unterstützt werden. Eine dritte der ineinander verwobenen Ebenen des Films macht am Beispiel von Black Rock deutlich, welche die eigentlichen Triebkräfte, Drahtzieher und Nutznießer dieser Gewaltverhältnisse sind. In der Zusammenschau aller Ebenen des Films entsteht ein umfassendes Bild davon, wie die Kräfte der privaten Aneignung von Reichtum und Macht unsere Lebens- und Arbeitsverhältnisse bestimmen. Der Film widerspiegelt in einem vielschichtigen Panorama aber auch das große Potential für die Überwindung dieses Zustandes bei allen, die in unterschiedlicher Weise von wachsender Armut, Lohnraub, Sozialabbau, Aufrüstung und den Folgen von Kriegswirtschaft betroffen sind. Am Ende stellt sich die Frage von ganz allein, welcher Weg uns dahin führen wird.
Wir sind so frei! Dokumentation; Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch mit Untertiteln
Deutschland 2024 Regie: No Doubt Media; 95 Min. FSK 12
Kritiken siehe:
1.
https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/wir-sind-so-frei-2024
“Wir sind so frei (2024) Eine Filmkritik von Lukas Hoffmann
Den Kapitalismus überwinden
„Wie können wir verhindern, dass die Herrschaft des Geldes das menschliche Leben vollkommen zerstört?“ Auf diese vom Politikwissenschaftler John Holloway gestellte Frage versucht „Wir sind so frei“, eine Antwort zu finden. Oder zumindest einen Ansatz, eine mögliche Strategie. Die einzig mögliche Antwort auf seine Frage ist laut der Dokumentation: Aktivismus.
Die Filmemacher Christian Lehmann-Feddersen und Alf Schreiber dokumentieren in Wir sind so frei den Aktivismus verschiedenster Menschen, deren Leben durch den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg und ihren Protest gegen das gegenwärtige kapitalistische System verbunden sind. Sie beschäftigen sich mit der Einschränkung von Freiheit im Alltag und das durch kapitalistische Systeme erzeugte Leid. Mit Polizeigewalt, Hausdurchsuchungen und Machtmissbrauch. Mit Gesinnungsjustiz, manipulativen Aktienkonzernen und aktuellen Streikgesetzen, die noch aus der NS-Zeit stammen.
…
Wir sind so frei will die Stimme einer lauten Gegenbewegung noch lauter machen. Wie schon bei Filmen wie Lützerath – Gemeinsam für ein gutes Leben ist auch dieser Film selbst ein Teil des Protests, ein Teil des von ihm dokumentierten politischen Engagements.”
2.
“Dokumentarfilm über die Folgen des G20-Gipfels in Hamburg
Während Aktivist*innen dem juristischen Nachspiel ausgesetzt sind, formieren sich im Schatten des Gipfels das kapitalistische System und der Widerstand neu.
Der G20 Gipfel im Juli 2017 in Hamburg war für die kapitalismuskritischen Bewegungen Europas Anlass des gemeinsamen Protests gegen diese Machtdemonstration der weltbeherrschenden Kräfte über alle politischen Differenzen hinweg. … … …”
3.
Allgemein, Film, Review Wir sind so frei
… … … Es kommen Aktivsten und Juristen zu Worte, es gibt Videomaterial als Beweis der Gewalt; der Begriff der Gesinnungsjustiz wird eingeworfen. Das Thema ist die „Suspendierung rechtsstaatlicher Mindeststandards“.
Ein Schwerpunkt sind Immigranten, die oft prekäre Jobs annehmen müssen. Es gibt Bilder von Demos gegen die Firmen Gorilla, gegen Flink, gegen Amazon. Nina Women in Action kommen vor. Es gibt Berichte von Streiks in Nordrhein-Westfalen gegen ein neues Mediengesetz. Ver.di-Vertreter kommen zu Wort, auch mit Brecht-Zitaten.
Der Film macht klar, wie wichtig Aktivismus ist; wie ohne Gegenwehr der Kapitalismus letztlich alles kaputtmacht. Und es gibt Archivschnipsel aus der Geschichte der Immigration in der Bundesrepublik in schönem Schwarz-Weiß. Der Film zeigt auch, wie vielfältig und vielseitig doch die Aktivistenszene in Deutschland ist.
4.
Aus: Ausgabe vom 04.09.2024, Seite 11 / Feuilleton Kino Politik der Feindschaft
“»Wir sind so frei«: Eine Langzeitdokumentation über Teilnehmer der Proteste beim G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg Von David Maiwald
Am Anfang steht die Konstruktion des Feindes. Wie liberale Demokratien sich dieser bedienen, beschrieb Achille Mbembe in seinem Buch »Politik der Feindschaft« (2017). Im Dokumentarfilm »Wir sind so frei« läuft ein Mbembe-Zitat als Bildelement hinter einer Menschenreihe, die dank einer Person mit Rotkreuz-Weste im Bildvordergrund als eine Schlange von Geflüchteten interpretierbar ist. Der Feind überschreibt die Spaltung der Gesellschaft in Klassen mit ihrer scheinbaren Einigkeit, steht da sinngemäß.
Indirekt stellt sich so die Frage, ob es die Feindmarkierung ist, die Flüchtlingsaktivisten, Gewerkschaftsjugend, streikende Lieferfahrer, Beschäftigte von Amazon und Arbeitsrechtler in der Bundesrepublik miteinander verbindet. Der Kampf für eine bessere Gesellschaft ist für alle im Film zu Wort kommenden Personen die eindeutig bestimmende Frage. Die sich daraus ergebende Gegnerschaft des Staates, auch einseitig von diesem erklärt, zeigt sich ebenso deutlich. … … …”
5.
https://taz.de/G20-Dokumentarfilm-Wir-sind-so-frei/!6031256
“G20-Dokumentarfilm „Wir sind so frei“: Ein Staat macht sich Feinde
Christian Lehmann-Feddersen und Alf Schreiber dokumentieren mit „Wir sind so frei“ die Folgen des G20-Gipfels. Ihr Ziel: eine Gegenöffentlichkeit.
Die Wunden des G20-Gipfels in Hamburg sind noch nicht verheilt. Erst am vergangenen Dienstag endete der sogenannte Rondenbarg-Prozess mit einer Verurteilung von Demonstrant*innen: Weil sie bei der Demo schwarze Kleidung trugen, müssen sie Geldbußen und die Gerichtskosten bezahlen, sollte das Urteil rechtskräftig werden. … … …”