Widerspruch gegen Bußgelder gegen Demonstrierende erfolgreich

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Auf der Limmerstraße hatten sich am 11.04. 2020 spontan rund 30 Menschen in Zweiergruppen mit Schildern, Plakaten und Transparenten  versammelt um gegen die EU-Flüchtlingspolitik und Corona-Bestimmungen zu protestieren. „Hier ist Platz – griechische Lager evakuieren“, „Keine Profite mit der Miete“ und „Rassismus tötet – auch jetzt“ waren einige der Parolen. Die Polizei schritt mit einem Großaufgebot ein, siehe dazu: Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung

Erst durch das Auftreten der Polizei wurden Demonstrierende und Unbeteiligte – auch in Hinsicht auf die geltenden Corona – Maßnahmen – gefährdet, trotzdem waren es die Demonstrierenden, die mit Bußgeldern belegt wurden. Dagen legten sie Widerspruch ein.

Am 2. November kam es am Amtsgericht Hannover zur Hauptverhandlung mit dem Ergebnis, daß das Verhängen der Bußgelder rechtswiedrig ist.

 

Hier die Pressemitteilung des Ermittlungsausschusses (EA) Hannover :

Versammlungsfreiheit und Infektionsschutz sollten nicht im Widerspruch stehen – Prozesse wegen Bußgeldern eingestellt

Am 2. November kam es am Amtsgericht Hannover zur Hauptverhandlung gegen Aktivist*innen, welche Einspruch gegen Bußgeldbescheide eingelegt haben. Am Ende wurde das Verfahren eingestellt: Die Beschuldigten müssen also ihre Anwaltskosten selbst tragen, aber nicht für die Prozesskosten aufkommen.

Ihnen wurde vorgeworfen, am 11.04. auf der Limmerstrasse in Hannover bei einer spontanen Kundgebung gegen die Corona-Allgemein-Verfügung verstoßen zu haben. Bei der Kundgebung ging es darum, Solidarität mit Geflüchteten in Moria sowie Obdachlosen und Betroffenen häuslicher Gewalt zum Ausdruck zu bringen. Denn für all diese und weitere Leute war und ist es nicht möglich, coronakonform „einfach zu Hause zu bleiben“. Die 50 Protestierenden demonstrierten mit Mund-Nasen-Schutz in 2er-Grüppchen mit Mindestabstand und wurden dann von einem Großaufgebot der Polizei eingekesselt.

Gegen einen Demonstrierenden, der seinen Mund-Nasen-Schutz nicht ablegen wollte, wurde von Seiten der Polizei mit Gewalt reagiert. Kurz darauf wurden Protestler*innen sowie zufällig anwesende Passant*innen auf engsten Raum eingekesselt. Um die Demonstrierenden für die Durchsetzung der ausgesprochenen Platzverweise identifizieren zu können, wurden sie genötigt ihren Mund-Nasen-Schutz abzulegen. Auf die Aufforderung der Gekesselten an die Polizei, die Sicherheitsabstände einzuhalten, reagierten diese mit Drohungen und Schubsen. Keine*r der eng zusammenstehenden Polizist*innen trug eine Maske – die wenigsten Handschuhe.

Damals hat der Ermittlungsausschuss in einer PM treffend festgestellt: „Erst durch das Einschreiten der Polizei wurde die Situation für alle Beteiligten gefährlich und ein unnötiges Risiko für die Ansteckung mit Coronaviren produziert“.

Die Polizei leitete 15 Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz ein. „Uns vorzuwerfen, wir wären unvorsichtig mit dem Infektionsschutz umgegangen, ist absurd“, sagte damals eine Demonstrantin. „Die Verstöße gegen die Schutzmaßnahmen wurden von der Polizei begangen.“

Die Rechtshilfegruppe kritisierte damals diesen Umgang der Polizei mit der Versammlungsfreiheit. Linke Aktivist*innen hätten schon in den vorherigen Wochen mehrfach gezeigt, dass die freie Meinungsäußerung auf der Straße auch unter Beachtung des Infektionsschutzes möglich sei. Dass die Polizei dies zu verhindern versuche, sei gefährlich: „Da wird ein zentrales demokratisches Grundrecht außer Kraft gesetzt“, sagte die Sprecherin weiter.

Einige Tage nach dem Vorfall wurde die Corona – Allgemein – Verfügung vom Verwaltungsgericht Hannover für rechtswidrig erklärt, da sie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht ausreichend berücksichtige. Trotzdem erhielten 13 Aktivist*innen Bußgeldbescheide über 200 € wegen Verstoß gegen die Corona – Verordnungen und damit gegen das Infektionsschutzgesetz.

Da das Versammlungsverbot verfassungswidrig war und die einzigen Menschen, die sich in der Situation rücksichtslos verhalten haben, Polizist*innen waren, wollten die meisten Betroffenen keine Strafe zahlen, sondern wehrten sich dagegen vor Gericht.

Die geladenen Zeug*innen konnten noch nicht einmal sagen, ob die Beschuldigten auf der Versammlung waren – sie kamen erst später und hatten sich auch schon gewundert, warum sie geladen wurden, aber nicht z.B. der „Gesamt-Führer“ (Zitat).

Der Richter konnte zwar niemanden verurteilen, verweigerte sich aber trotzdem einer staatlichen Übernahme der Anwaltskosten.