Solidarität mit den Bewohner*innen der Groner Landstraße 9a-c in Göttingen

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         Spendenaufruf

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aufgrund von Auseinandersetzungen mit der Polizei an der Groner Landstraße während der Komplett-Quarantäne haben sich erste Personen bei einer Solidaritäts-Initiative gemeldet, die Post von der Göttinger Polizei bekommen haben. Die Stadt Göttingen hatte alle 700 Menschen, die eine Wohnung in der Groner Landstraße 9a-c bewohnen, nach der Feststellung von 120 Covid-19-Erkrankungen unter Komplett-Quarantäne gestellt. Als die Bewohner*innen unter anderem im Rahmen einer Kundgebung am 20.06.2020 gegen die überzogenen Maßnahmen protestierten, reagierte die Polizei mit massiver Gewalt. Unter anderem gab es Pfefferspray-Angriffe gegen Kleinkinder und gewaltvolle Festnahmen einzelner Protestierender. Auch in den Tagen danach drang die Polizei in den ansonsten abgesperrten Wohnblock ein, um einzelne Bewohner*innen festzunehmen und in Gewahrsam zu bringen. Den betroffenen Bewohner*innen werden unterschiedliche Straftaten, darunter schwerer Landfriedensbruch, zur Last gelegt. Die Solidaritäts-Initiative fordert komplette Straffreiheit für alle Betroffenen, da die Situation an der Groner Landstraße durch den unrechtmäßigen Polizeieinsatz erst entstanden ist.

Die Härte der von der Stadt verhängten Maßnahmen wird nach wie vor als unverhältnismäßig bewertet, zumal die Stadt organisatorisch nicht in der Lage war, die Versorgung der Bewohner*innen sicher zu stellen. Stattdessen wurde versucht, die Betroffenen mit Polizeigewalt einzuschüchtern und buchstäblich „für Ruhe zu sorgen“. Der Umgang mit der Groner Landstraße 9a-c wie auch mit dem Iduna-Zentrum hat erneut gezeigt, dass Polizei, Gesundheitsamt und Verwaltung in Göttingen sowohl ein Rassismusproblem als auch ein Klassismusproblem haben. In der Groner Landstraße wohnen vornehmlich Menschen, die sowohl klassistischen als auch rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Ein vergleichbares Vorgehen wäre in anderen Fällen nicht denkbar gewesen. Im eher gutbürgerlichen und zumeist weißen Ostviertel wäre wohl kaum ein ganzer Wohnblock unter Quarantäne gestellt worden, noch hätte es einen derartigen Polizeieinsatz gegeben.

In solchen kollektiven Maßnahmen der Stadtverwaltung werden struktureller Rassismus und Klassismus in der Gesellschaft und in den Institutionen deutlich. Und auch rassistische Polizeigewalt ist niemals ein Einzelfall – weder in Göttingen, noch deutschlandweit, noch global. BlackLivesMatter-Proteste machen seit vielen Jahren auf rassistische polizeiliche Übergriffe aufmerksam, auch in Göttingen. Vor diesem Hintergrund macht das unsensible und repressive Vorgehen der Stadtverwaltung und der Polizei fassungslos. Daher ist es jetzt gerade wichtig, die Betroffenen nicht allein zu lassen und sich mit ihnen solidarisch zu zeigen.

Angefangen bei Anwält*innenkosten bis hin zu möglichen Strafzahlungen wird für die konkrete Unterstützung der Betroffenen viel Geld benötigt werden. Wieviel genau ist zur Zeit noch nicht abzusehen, aber die überzogenen Vorwürfe und die weiteren Festnahmen durch die Polizei deuten ein noch höheres Ausmaß an. In jedem einzelnen Fall fallen durch polizeiliche Maßnahmen erstmal Kosten an, mit denen die Bewohner*innen nicht allein gelassen werden dürfen! Solidarität mit allen von Repression Betroffenen!

Spendet jetzt auf das Unterstützungskonto der Solidaritätsinitiative:

Rote Hilfe e.V. Göttingen

IBAN: DE72 4306 0967 4007 2383 99

BIC: GENODEM1GLS

Betreff: #GronerLand

 

Zu den Hintergründen:

Neues immer auf: groner_land_voices Bilder, Stimmen und Berichte von Bewohner:Innen aus der Groner Landstraße 9   

 

Das Roma Antidiscrimination Network schreibt am 4. Juni 2020

Hetze wegen Corona in Göttingen breitet sich aus

Seit Tagen verfolgen wir mit zunehmender Besorgnis die Berichterstattung über Göttinger Corona-Infektionen. Permanent werden stigmatisierende Begriffe verwendet und die betroffene Personen als leichtsinnige und verantwortungslose Menschen dargestellt. Ort des Geschehens ist ein Hochhaus mit 700 Bewohner_innen, das in Göttingen als „sozialer Brennpunkt“ gilt. Dort leben vielfältige Menschen: Migrant_innen, Geflüchtete, aber auch Deutsche. Den meisten gemein ist ihre soziale Deklassierung. …

In der Presse wird behauptet, die Infektionen hätten primär bei Familienfeiern anlässlich des Zuckerfestes am 24. Mai stattgefunden, also bevor der Mann die Corona-Diagnose hatte. Die Familien hatten eine Genehmigung des Ordnungsamtes für die Zusammenkunft in der Moschee. Nur dort hat eine Zusammenkunft mehrerer Personen unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln stattgefunden. Weitere Feierlichkeiten gab es nicht. …

 

Der BundesRoma Verband fordert: Solidarität mit den Bewohner_innen der Groner Landstraße 9

Göttinger_innen werden seit Wochen in Presse und „sozialen“ Medien mit Dreck beworfen. Natürlich trifft es nicht die Mitte der Gesellschaft, sondern jene, von denen man davon ausgeht, dass sie sich nicht wehren können.

Vor ein paar Wochen gab es einen größeren Corona-Ausbruch in einem Haus, das in Göttingen als „sozialer Brennpunkt“ gilt. Wir hatten die Darstellungen der Stadt und die mangelhafte journalistische Qualität der Berichterstattung sowie deren Folgen kritisiert. Nun hat es die Bewohner_innen der Groner Landstraße 9 getroffen. …

… Die Einhaltung der Quarantäne wird Tag und Nacht von Polizei und Ordnungsamt bewacht. Die Stadt behauptet, die Menschen würden mit allem Nötigen versorgt. Stimmen der Bewohner_innen sprechen da eine andere Sprache. Fakt ist auch, dass die Care-Pakete, mit denen die Bewohner_innen versorgt werden sollten, in den ersten Tagen mit 40 Euro bezahlt werden mussten.

Unverzüglich ergoss sich eine Welle klassistischer und rassistischer Häme und Hetze in den sozialen Medien über die Bewohner_innen. Dieser verstärkte sich noch, als die verzweifelten Menschen anfingen, sich gegen den Umgang mit ihnen zu wehren. Das Mitgefühl galt nicht den Eingesperrten, sondern denjenigen, die sie einsperrten. Die Stadt drohte mit hartem Vorgehen gegen die Bewohner_innen statt gegen die Polizei, die Pfefferspray eingesetzt hat – auch gegen Kinder. …

 

zur Panorama – Sendung 11.06.20

“Göttingen: Vorverurteilung nach Corona-Ausbruch?

Nach Mitteilung der Stadt stünden die Infektionen “mit mehreren größeren privaten Feierlichkeiten” im Zusammenhang. Betroffen seien überwiegend “Mitglieder mehrerer Großfamilien”. Schnell rückten das Zuckerfest am 24. Mai und muslimische Roma-Familien in den Fokus der Berichterstattung. Presse und Internetkommentatoren schlachten das Thema seitdem genüsslich aus. Tenor: Feiernde Muslime, die sich an keine Regeln halten. Später legt die Stadt noch einmal nach: Man gehe Hinweisen auf ein Treffen in einer Shisha-Bar nach. Obwohl die Stadt später erklärte, dass es keine Belege für Infektionen in der Shisha-Bar gäbe, war die Geschichte schon in der Welt. … … … Wer wen wann und wo infiziert hat, wird sich vermutlich nie herausfinden lassen. Aber die unbelegte Geschichte von den feiernden Großfamilien lässt sich wohl nicht mehr einfangen. Sie hat ihr dankbares Publikum gefunden.”

 

Ähnliches gab es auch in Berlin, so die TAZ am 18.06.:

“Häuserblocks in Berlin unter Quarantäne: Corona fördert den Rassismus

Nachdem Neukölln mehrere Mietshäuser mit allen Bewohnern unter Quarantäne gestellt hat, werfen Initiativen dem Bezirk Diskriminierung vor.

… …Es sei ein typisch antiziganistisches Klischee, so Ivanov, dass ein Gesundheitsthema in Zusammenhang mit Roma gebracht werden. Dabei lebten etwa in dem einen – nun bekannten – Haus auch Menschen vieler anderer Nationalitäten. Dass diese nun alle unter Quarantäne gestellt wurden, „schürt doch Konflikte und Aggressionen gegen die Roma“, … …”

 

Artikel aus dem Tagesspiegel am 21.06.2020:

Abgeriegelter Hochhauskomplex in Göttingen: “Warum treffen Augsgangssperren die Ärmsten der Armen?”

Und: „Polizeipräsident nennt Einsatz „absolut gerechtfertigt“

 

Die Taz schreibt: „Ausschreitungen wegen Corona-Quarantäne: Tränengas in Göttingen

Vor einem wegen Corona abgesperrten Wohnblock kommt es in Göttingen zu heftigen Auseinandersetzungen. Dort sitzen rund 700 Menschen in Quarantäne. TAZ am 21. 6. 2020

Eine Bewohnerin des Komplexes sagt allerdings: „Wir wurden ohne Vorwarnung nicht mehr rausgelassen, konnten nicht vorher einkaufen. Was uns von der Stadt gegeben wird, sind ein paar Äpfel und abgelaufene Chips!“ …  Zu der drastischen Maßnahme hat es aus Sicht von Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) und dem örtlichen Krisenstab „keine Alternative“ gegeben. Der evangelische Göttinger Pfarrer und Grünen-Ratsherr Thomas Harms spricht allerdings von einem „verschärften Arrest“ für 700 Personen. Es sei fraglich, ob eine solche Maßnahme auch in den besseren Wohngegenden angeordnet würde: „Warum treffen Ausgangssperren die Ärmsten der Armen, darunter sehr viele Kinder?“ Die Erniedrigten seien in Krisenzeiten mal wieder „die ersten der Geschlagenen“, sagt Harms. https://taz.de/Erneuter-Corona-Ausbruch-in-Goettingen/!5690125/

 

Pressemitteilung zum Thema Groner Landstraße 9, vom 22.06.2020 von

Basisdemokratische Linke Göttingen – IL·

Erster Toter in Göttinger Corona-Hotspot: Schutzmaßnahmen für Bewohner*innen und grundsätzlicher Wandel der Wohnungspolitik gefordert

Wie erst jetzt bekannt wurde, hat es in dem nach einem Corona-Ausbruch abgeriegelten Wohnkomplex in der Groner Landstraße in Göttingen bereits am Samstag einen ersten Todesfall gegeben. Die Basisdemokratische Linke Göttingen, die am gleichen Tag eine Kundgebung vor dem Gebäude organisiert hatte, fordert angesichts der dramatischen Situation schnelle Schutzmaßnahmen für die Bewohner*innen sowie einen grundlegenden Wandel der städtischen Wohnungspolitik.

Wie Bewohner*innen ebenso wie eingesetzte Feuerwehrleute übereinstimmend berichten, ist am Samstag Nachmittag im zweiten Stock des Gebäudes ein Mann verstorben. Laut Auskunft von Bewohner*innen hatte dessen Lebensgefährtin zuvor am von der Stadt installierten Absperrungszaun eindringlich um Hilfe gerufen, da der Mann unter schwerer Atemnot litt. Rettungskräfte trafen allerdings erst etwa eine Stunde später ein. Zu diesem Zeitpunkt zeigte der Verstorbene keine Lebenszeichen mehr. „Bislang ist nicht geklärt, ob der Bewohner an Covid-19 gestorben ist. Offensichtlich war es für seine Lebensgefährtin in der von der Stadt geschaffenen Abschottungssituation aber unmöglich, Zugang zu dringend benötigter medizinischer Hilfe zu erlangen. Es ist daher durchaus von einem engen Zusammenhang dieses Todesfalls mit der von der Stadt verhängten Isolation auszugehen“, so Lena Rademacher für die Basisdemokratische Linke.

Die Basisdemokratische Linke fordert die Stadtverwaltung auf, das repressive Vorgehen gegen die Bewohner*innen des Komplexes umgehend zu beenden und stattdessen endlich auch deren gesundheitliche Belange zu berücksichtigen. „Wenn Herr Köhler und Frau Broistedt nicht die Verantwortung für weitere Tote tragen wollen, müssen sie ihre Politik jetzt massiv ändern“, so Rademacher: „Die Stadt Göttingen hat 700 Personen in einem Gebäude eingesperrt, in dem ein effektiver Schutz vor Ansteckung unmöglich ist. Dabei setzt sie hunderte bisher nicht erkrankte Bewohnerinnen bewusst dem Risiko einer potentiell tödlichen Infektion aus. Wer negativ getestet wurde und eine Unterbringung an einem anderen Ort wünscht, muss hierfür sofort die Möglichkeit erhalten. Die Stadt muss hierfür angemessene Unterkünfte zur Verfügung stellen und dafür ggf. auch Hotels, Leerstand und andere geeignete Räumlichkeiten beschlagnahmen. Es ist eine Farce, dass die Stadt einerseits in Form freiheitsentziehender Maßnahmen einen massiven Grundrechtseingriff vornimmt und andererseits die Evakuierung schutzbedürftiger Personen davon abhängig macht, ob Hotelbetreiber*innen freiwillig Zimmer zur Verfügung stellen.“

„Sich in dieser Weise aus der Verantwortung zu stehlen und private Eigentumsinteressen über alles zu stellen, ist leider nur die konsequente Fortsetzung der bisherigen Wohnungspolitik“, stellt Rademacher fest: „Die Stadt Göttingen hat die Wohnraumversorgung komplett dem Markt überlassen. Wenn daraus resultierende Missstände öffentlich werden, macht man es sich bequem und verweist auf die Zuständigkeit der jeweiligen Besitzer*innen. Die völlig unzureichenden Wohn- und Lebensbedingungen, die so entstehen, sind nicht nur im Alltag für die Bewohnerinnen schwer erträglich, sondern begünstigen auch massiv ein Ausbruchsgeschehen wie wir es augenblicklich beobachten können.“ Die Basisdemokratische Linke fordert daher seit langem, die Wohnraumversorgung dem Markt zu entziehen und Wohnraum in öffentlicher Hand zu schaffen, der der demokratischen Kontrolle der Bewohner*innen unterworfen ist. „Ebenso wie Aktivistinnen in vielen anderen Städten fordern wir die Vergesellschaftung von Wohnraum. Nur so lassen sich menschenwürdige Wohnbedingungen für Alle sicherstellen. Unser Ziel ist es zudem, Bewohner*innen selbst die Entscheidungsgewalt über ihre Lebensumstände zu ermöglichen. Das steht in deutlichem Widerspruch zum Agieren der Stadt, die gegenwärtig mit einem Teil ihrer Einwohner*innen mal wieder wie mit bloßer Verfügungsmasse umgeht. Die Notwendigkeit, einen grundlegenden Wandel sowohl hinsichtlich der Wohnraumversorgung wie auch bezüglich der städtischen Politik insgesamt durchzusetzen, zeigt sich in der aktuellen Situation umso dringlicher“, so Rademacher abschließend.

 

Quarantäne in Arbeiterquartieren und Plexiglaswände in Altenheimen

Peter Nowak schreibt am 22. Juni in Telepolis über den weiteren Zusammenhang: “Viele Jahre haben Gewerkschaften und solidarische Gruppen wie die Initiative “Arbeitsunrecht” auf die besonderen Ausbeutungsverhältnisse der vornehmlich migrantischen Beschäftigen bei der Fleischfabrik Tönnies hingewiesen. Nun beschäftigt sich die gesamte Republik damit, weil bei vielen Beschäftigten der Corona-Virus festgestellt wurde. Die Initiative Arbeitsunrecht gehört zu den wenigen, die diesen kapitalistischen Verwertungszwang als eigentliches Problem erkannten. … … …”

 

Junge Welt am 23.06.2020,

“Tod im Göttinger Ghetto

700 Menschen in marodem Wohnkomplex unter Quarantäne. Polizei riegelt Hochhaus ab, währenddessen stirbt ein Bewohner

… Laut Auskunft von Bewohnern habe eine Frau hinter dem um das Gebäude herum installierten Absperrzaun um Hilfe für ihren Lebensgefährten gerufen, da dieser unter Atemnot gelitten habe. Rettungskräfte seien erst eine Stunde später eingetroffen, zu diesem Zeitpunkt habe der Mann keine Lebenszeichen mehr gezeigt. Am selben Tag kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Hausbewohnern und der Polizei sowie Demonstranten, die sich mit den Anwohnern solidarisierten…. …”

 

Wir dokumentieren den Aufruf: Solidarität mit Groner Landstraße 9a-c! Kundgebung am 23.06.20 um 17 Uhr

Am Donnerstag Mittag wurden 700 Menschen, darunter ca. 200 Kinder in der Groner Landstraße 9 a-c ohne Ankündigung von der Stadt unter Quarantäne gestellt und sind ALLE in dem Gebäudekomplex eingesperrt, obwohl ein Großteil (noch) gar nicht mit Corona infiziert ist.

Als wären sie im Knast, müssen sie auf engstem Raum leben und sind vollkommen abhängig von der Versorgung von außen. Alle Spenden von solidarischen Menschen werden von der Polizei kontrolliert und eine Kontaktaufnahme oft unterbunden.

Die Versorgung der Stadt ist katastrophal; es fehlen Masken, Desinfektionsmittel und andere Hygieneprodukte, die Lebensmittelversorgung der Stadt ist überhaupt nicht ausreichend, nicht vollwertig und unangepasst an z.B. Allergien, Vegetarismus oder Kleinkinder.

Eine vergleichbare Situation ist bei nicht von Rassismus Betroffenen und wohlhabenderen Menschen unvorstellbar und hat es während der gesamten Pandemie nicht gegeben. Hier jedoch geht die Polizei mit äußerster Brutalität vor. Während der Kundgebung der Basisdemokratischen Linken am Samstag setzt sie z.B. Unmengen Pfefferspray u.A. gegen Kinder ein und dazu in einem Wohnkomplex in dem eine Lungenkrankheit verbreitet ist. Es ist mehrfach zu Verhaftungen mit fadenscheinigen Begründungen gekommen. Zudem wurde eine strikte Strafverfolgung gegen widerstände Bewohner*innen angekündigt.

Das Handeln von Stadt und Polizei zeigt besonders deutlich die rassistischen und klassistischen Strukturen in Deutschland auf. Und die Medien greifen sie auf und verstärken sie durch widerliche Berichterstattung, die weit weg von der Realität liegt, wie auch schon über das Iduna Zentrum.

Als wäre es nicht ohnehin schon unmenschlich genug, dass Personen gezwungen werden unter solchen Umständen zu leben, verstärkt dieser Umgang mit Corona diese soziale und rassistische Ungerechtigkeit noch.

Deswegen fordern wir:

  • Alle, die das wünschen können während der gesamten Quarantänephase kostenlos in ein Hotel umziehen! Diese Forderung gilt natürlich auch weiterhin für alle Menschen in Massenunterkünften wie z.B. Geflüchtetenlager, sowie für Betroffenen von Wohnungslosigkeit und häuslicher Gewalt.
  • Personen, die kein Corona haben, sollen nicht unter Quarantäne gestellt werden!
  • Es muss eine außer- familiäre Betreuungsmöglichkeit für Kinder geschaffen werden, die von den etablierten Stellen der Jugendarbeit in Göttingen betreut wird!
  • Es braucht qualifizierte Personen, die in Fällen von häuslicher und sexueller Gewalt und Konflikten beratend 24/7 zur Verfügung stehen
  • Die Einschränkung der Selbstbestimmung, die aktuell durchgeführt wird, ist nicht hinzunehmen. Z.B. können die Personen nicht entscheiden, was sie einkaufen und essen wollen.
  • Es darf keinerlei Repressalien geben, z.B. in Zusammenhang mit Aufenthaltsrecht, Drogenkonsum oder Protesten gegen die Maßnahmen

Kommt also zahlreich zur Kundgebung und zeigt eure Solidarität!

-Open the hotels Göttingen-

 

Am 25 06. Schreibt der Arbeitskreis: Arbeitskämpfe

Erklärung zur Situation der Bewohner*innen der Groner Landstraße 9 in Göttingen

Stadt Göttingen verweigert ausreichende Versorgung und Unterstützung für Bewohner*innen der Groner Landstraße 9

Göttingen erlebt zurzeit den zweiten Fall von Positivtestungen des Coronavirus in einem Hochhaus, in dem Menschen in sehr kleinen und schlecht ausgestatteten sowie unverhältnismäßig teuren Wohnungen leben. Aber statt alternativen Wohnraum oder wenigstens Notunterkünfte bereitzustellen, hat die Stadt Göttingen beschlossen, den gesamten Wohnkomplex abzusperren. Etwa 700 Menschen, darunter 200 Kinder, durften für fast eine Woche den Komplex nicht verlassen. Sie wurden tagelang weder ausreichend mit Lebensmitteln noch mit Hygiene- und Schutzartikeln versorgt. Als es am Samstag zu Ausbruchversuchen kam, reagierte die Polizei völlig unverhältnismäßig, so mit dem Einsatz von Pfefferspray in Durchgängen, in denen sich auch Kinder aufhielten. Erst am Montagabend wurden den ersten Bewohner*innen unter würdelosen Bedingungen ein Verlassen des Komplexes erlaubt. Die Unterzeichnenden fordern die Vertreter*innen der Stadt Göttingen auf:

  • Sofort angemessenen Wohnraum für die Bewohner*innen der Groner Landstraße 9 zur Verfügung zu stellen, notfalls durch die Belegung von Hotelzimmern!
  •  Alle rassistischen Äußerungen, die nahe legen, dass die Einwohner*innen des Gebäudekomplexes nicht zur Göttinger Bevölkerung gehörten, sofort zu unterlassen!
  • Sich gegen eine Strafverfolgung einzelner Bewohner*innen anlässlich der Ausbruchsversuche am Samstag klar auszusprechen! 

Wir sehen den ‘Göttinger’ Fall als skandalösen ‘neuen’ Umgang mit der Corona-Krise, in der die Verantwortung für die Folgen der Ausbeutung von Mieter*innen und Arbeiter*innen faktisch auf die Betroffenen verlagert wird. Es ist kein Zufall, dass neue Hotspots von Corona-Infektionen dort entstehen, wo Wohn- und Arbeitsbedingungen prekär sind. Die Parallelen zu den Fleischfabriken, deren Arbeitende oft zu zehnt in einem Zimmer wohnen, sind auffällig.
Arbeitskreis Arbeitskämpfe der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung (AkG)“

 

Ein Beitrag der redical m aus Göttingen: „Corona is a class issue! Zur Auseinandersetzungen um die Zwangsquarantäne im Göttinger Wohnkomplex in der Groner Landstraße 9.“ 

„Die Groner Landstraße 9 a-c ist ein großer, prekärer Wohnkomplex am Rande der Göttinger Innenstadt. Laut offiziellen Stellen wohnen im gesamten Haus circa 700 Leute. Nachdem im Haus 120 Covid-19 Erkrankungen diagnostiziert wurden, stellte die Stadt am 18. Juni das gesamte Haus in Quarantäne. Unter der Aufsicht von Cops, Ordnungsamt und privaten Securitys wurden die Bewohner*innen in ihren 19-39 Quadratmeter-Wohnung praktisch inhaftiert, teilweise mit mehreren Kindern. Die vollkommene Ausgangssperre bedeutete eine katastrophale Lebensmittelversorgung, die „Care-Pakete“ der Stadt, gefüllt mit grundlegenden Lebensmitteln, wurden den Bewohner*innen für 40Euro das Stück aufgezwungen. Pünktlich zur Pressekonferenz am Sonntag Nachmittag, entschied man sich dazu sie umsonst zu verteilen.  Während am Samstag Nachmittag eine Kundgebung unter dem Motto „Shut down Mietenwahnsinn” unmittelbar vor dem Haus in der Groner Landstraße stattfand, verliehen Bewohner*innen des Hauses ihrer nachvollziehbaren Wut auf die Polizei Ausdruck und warfen mit Gegenständen auf die Cops. Der Staat schlug hart zurück, die Bewohner*innen wurden verprügelt und mit Pfefferspray angegriffen, am Tag darauf gab es eine Festnahme im Haus. Seit dem organisieren wir mit anderen Gruppen einen Cop-Watch-Posten gegenüber des Wohnkomplexes und versuchen Öffentlichkeit herzustellen und mit den Bewohner*innen in Kontakt zu bleiben. …

Weitere Zwischenüberschriften im Text:

      „We‘re all in this together“? – Seuchenschutz im Staat des Kapitals

     Fight the racist state, it’s cops and white supremacy!

     Göttinger Mietenwahnsinn

     Corona is a class issue! 

 

Ein Interview mit einer Aktivistin der Basisdemokratischen Linken in Göttingen in der Jungen Welt vom 29.07.

»Eingesperrte als gemeingefährlich dargestellt«

“Quarantäne: Nach Abbau der Zäune um Göttinger Wohnkomplex gehen Schikanen weiter.

… Die Stadtverwaltung hat zwar Zäune und Versorgungsinfrastruktur abbauen lassen, für viele der Bewohner geht die Schikane aber weiter. Vor einigen Tagen ist die Polizei in Wohnungen eingebrochen, um Handys mit Videomaterial mitzunehmen. Dass die Menschen erst durch die prekäre Unterbringung und Versorgung entmündigt und entwürdigt und jetzt kriminalisiert werden, lässt vermeintliche Zugeständnisse seitens der Stadt fadenscheinig wirken. … …”

 

Ein Bericht in konkret:

„Hinter Gittern

Als die Stadt Göttingen einen Hochhauskomplex an der Groner Landstraße 9 abriegelte, war das Virus nur der vorgeschobene Grund. Von Stefan Walfort

Hauptsache, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) schmeckt seine Currywurst. Möge sie von Tönnies sein, hofft man als Bewohner des Hochhauses, das der Göttinger Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) nach Bekanntwerden von etwa 100 positiv ausgefallenen Tests auf das neuartige Coronavirus unter Vollquarantäne stellte. … … …  Ansammlungen von Menschen mit mehrheitlich dunkler Haar- und Augenfarbe hinter Zäunen vor der schmierig-grauen Außenfassade des Hauses lichteten Teile der Presse begierig ab. Die Berichterstattung trug so ihren Teil zur Konstitution eines xenophoben und klassistischen Diskurses bei, der seitdem die Kommentarspalten und Social-Media-Kanäle dominiert. Infolge all dessen machte sich das Gefühl breit, als Bewohner des Hauses gehöre man selbst nicht zur schützenswerten Bevölkerung und sei vollkommen rechtlos. … … … Stefan Walfort studiert an der Uni Göttingen Neuere Deutsche Literatur. Er wohnt seit sechs Jahren an der Groner Landstraße 9 und war vom 18. bis 22. Juni auf dem Gelände des Hauses eingesperrt.“

 

Repressionen nach Polizeigewalt in Göttinger Wohnblock – Rote Hilfe fordert Straffreiheit

Von Perspektive Online 4. August 2020

“Sonderkommission veröffentlicht ihre Bilanz nach den Auseinandersetzungen im Göttinger Quarantäne-Wohnblock: 13 Ermittlungsverfahren, 36 Tatverdächtige. Die Rote Hilfe hingegen prangert die Gewalt der Polizei ebenso wie die Fahrlässigkeit der Stadt an und fordert vollkommene Straffreiheit für die Angeklagten. … … …”