Solidarität mit dem Gefangenenaufstand in Italien – Schreibt den Gefangenen

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Mittlerweile geht es durch die Presse: Revolten in 50 italienischen Knästen – 6 tote Gefangene im Gefängnis von Modena und 4 tote Gefangenen In anderen Knästen.

 

Nach der Entscheidung aufgrund des Corona-Virus die Besuche im Gefängnis und teilweise den Hofgang zu verbieten, begann am Sonntagnachmittag die Revolte in Modena. Die Krankenstation wurde gestürmt und alles zertrümmert, was auf dem Weg lag, und die Gefangenen erstürmten die Dächer. Die Revolte verbreitet sich wie ein Lauffeuer auf die Knäste in Mailand, Alessandria, Bari, Trani, Neapel , Frosinone, Vercelli , Regio Emilia u.a. In Foggia konnten 34 Gefangene entfliehen. Die Überbelegung in den italienischen Knästen, ein weiterer Grund für die Revolte, ist endemisch* – ein Beispiel: das Dozza in Bologna hat 492 Plätze für aktuell 890 Gefangene. Die Ursache für den Tod von 10 Gefangenen ist noch ungeklärt. Die Gefängnis Behörden behaupten, sie wären an Überdosen durch Tabletten aus dem Krankentrakt gestorben.

*endemisch: in bestimmten Gebieten ständig auftretend

 

Die GGBO ruft zur Solidarität auf: it

GG/BO Soligruppe Jena: Im Rahmen der strikten Maßnahmen des italienischen Staates anlässlich der Coronavirus-Epidemie wurden Gefangenenrechte wie der Erhalt von Besuchen oder Ausgänge eingeschränkt. Daraufhin sind nach Angaben der Schließer-„Gewerkschaft“ in 27 Haftanstalten Aufstände ausgebrochen. In den Medien ist die Rede von Flutversuchen, Dachbesetzungen, Geiselnahmen von Schließern und Feuern in den Haftanstalten sowie von mehreren Toten unter den Gefangenen. Einige der Todesfälle seien auf Überdosen von eingenommen Medikamenten zurückzuführen seien. Zwei Gefängnisse wurden geräumt bzw. geschlossen. Siehe die Beiträge der Tagesschau, der Süddeutschen Zeitung, des MDR, des ORF oder der Südtirol-News.

Wir erklären unsere Solidarität mit den Gefangenen. Ihnen den Kontakt nach draußen zu verbieten und sie damit noch weiter zu isolieren, ist keine Lösung. Auch unter den Bedingungen einer Epidemie sind die Rechte der Gefangenen zu respektieren.

Wir rufen daher alle dazu auf, Gefangenen in Italien zu schreiben. Auf der Seite roundrobin.info findet sich eine aktualisierte Liste mit Adressen verschiedener politischer Gefangener, v.a. von Anarchisten.

Jena, 10.3.2020

 

Weiteres von der webseite des zündlumpen:

Coronavirus löst Knastrevolten in 27 Gefängnissen aus

09.03.2020 Zündlumpen,

Montag, der 09.03.2020: In den Gefängnissen toben Revolten. Bis zum heutigen morgen sind Proteste von Gefangenen in 27 Gefängnissen bekannt, bei denen einige eine Amnestie anlässlich der Coronavirus-Notlage fordern. Einem offiziellen Bericht zufolge, der nach den Riots der letzten Tage veröffentlicht wurde, starben acht Gefangene: Sechs von ihnen verstarben gestern Nachmittag im Gefängnis von Modena während der Gefangenenrevolte. Eine*r starb den gestrigen Angaben der Einrichtung zufolge an missbräuchlichem Opiatkonsum, ein*e andere*r durch Benzodiazepine und ein*e Dritte*r sei zyanotisch (aufgrund von Sauermangel blau angelaufen) aufgefunden worden, auch wenn der Grund dafür bislang unklar sei. Über die anderen drei verstorbenen Gefangenen gibt es keine Erkenntnisse. Außerdem seien 18 Gefangene in Krankenhäuser eingeliefert worden, die meisten von ihnen wegen einer Intoxikation. Esy wird von zwei weiteren Todesfällen durch eine psychotrope Drogenüberdosis in den Knästen von Verona und Alessandria in der letzten Nacht berichtet. Dem von den Gefängnisbehörden verbreiteten, offiziellen Bericht zufolge seien die beiden Rädelsführer*innen der Proteste gewesen und hätten psychotrope Medikamente von der Krankenstation gestohlen.

Unterdessen findet im Gefängnis von Foggia ein Aufstand statt, bei dem angeblich einige Gefangene in der Lage gewesen seien, zu entkommen, aber kurze Zeit darauf außerhalb des Gefängnis von der Polizei gefasst worden seien. Den Berichten zufolge haben die Gefangenen ein Tor des „Blockhauses“, des Bereichs, der sie von der Straße trennt, eingerissen. Einige Gefangene kletterten auf das Dach, andere warfen Fenster ein und im Eingang des Blockhauses wurde ein Feuer entfacht. Bei Zusammenstößen mit der Polizei erlitt einer der Gefangenen Kopfverletzungen und wurde auf einer Tragebahre weggebracht. In San Vittore-Gefängnis in Milan gab es Proteste auf dem Dach und Feuer im Gefängnis, während in Palermo ein Ausbruchsversuch im Ucciardone-Gefängnis von der Gefängnispolizei vereitelt wurde. Die Straßen um das Gefängnis wurden gesperrt. Letzte Nacht brach auch ein Protest im Pagliarelli, dem zweiten Gefängnis in Palermo aus. Im Rebibbia in Rome griffen angeblich einige Gefangene zusätzlich zum Abfackeln mehrerer Matratzen die Krankenstationen an.

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In Pavia sperrte Gefangene zwei Gefängniswärter*innen für einige Stunden ein, stahlen von ihnen die Schlüssel zu den Zellen und veranstalteten einen ausdrucksstarken Protest, indem sie einige der Gefängnisräumlichkeiten zerstörten. Aus zahlreichen Kreisen wird die Forderung nach einer Amnesty laut oder zumindest nach alternativen Bestrafungen für weniger schwerwiegende Verbrechen, aber die Regierung ignoriert diese Forderungen.

Im Iran wurden 70.000 Gefangene vorläufig entlassen, um der Verbreitung der Covid-19 Epidemie entgegenzuwirken. Letzte Woche war bereits verkündet worden, dass 54.000 Gefangene in den Hausarrest geschickt worden seien.

 

Auch die Haftbedingungen in Deutschland sind betroffen

von: Thomas Meyer-Falk am: 09.03.2020 – 14:54

An niemandem dürfte die Berichterstattung über den neuartigen CORONA-Virus vorbei gegangen sein. Nun treffen Behörden auch erheblich in die Besuchsmöglichkeiten von Gefangenen eingreifende Maßnahmen.

JVA Freiburg in Baden-Württemberg

Bislang haben hier Strafgefangene mehrere Stunden Besuch im Monat: im Bereich der Sicherungsverwahrung gelten noch umfangreichere Möglichkeiten. Per Aushang vom 4.3.2020 wurde die Besuchszeit nun im Bereich Strafhaft auf den gesetzlichen Mindestanspruch (§ 19 JVollzGB-3 sieht eine Stunde vor) und im Bereich Sicherungsverwahrung auf 10 Stunden (was der entsprechenden gesetzlichen Regelung für die SV entspricht) reduziert.

Weitere Restriktionen

Ebenfalls nur durch Aushang wurde mitgeteilt, dass alle schon vergebenen Termine widerrufen worden seien, man müsse jeden Termin neu beantragen. Was zur Folge hat, dass Personen, die ihre Anreise schon frühzeitig geplant haben (Zugticket/Hotelzimmer) nun möglicherweise auf erheblichen Kosten sitzen bleiben, wenn nämlich der eigentlich vereinbarte Termin nun nicht wahrgenommen werden kann.

Für den Bereich Sicherungsverwahrung waren die Bediensteten der Besuchsabteilung zumindest persönlich erreichbar und es wurde nach Kompromisslösungen gesucht, aber an der Begrenzung auf 10 Stunden führte nichts vorbei.

Ferner müssen alle BesucherInnen und externen Personen, mit Ausnahme der JVA-Beschäftigten, vor Betreten der Anstalt einen Fragebogen ausfüllen. Werde nur eine einzige Frage mit „JA“ beantwortet, ist der Zugang zur Anstalt zu verwehren. Gleiches gilt für jene Menschen, die nach Ansicht des Personals an der Torwache „offensichtlich Erkrankungszeichen zeigen“. Diesen soll der Zugang gleichfalls verboten werden.

All diese Maßnahmen gelten zeitlich unbefristet „bis auf weiteres

Reaktion der Insassen

Im Bereich der Sicherungsverwahrung kam es umgehend zu Schreiereien und lautstarken Protesten. BesucherInnen, die in den nächsten Tagen oder in der kommenden Woche anreisen wollten, haben längst Zugtickets gebucht, Hotelzimmer reserviert und stehen nun eventuell vor verschlossenen Toren. Einzelne Insassen haben sich jetzt schriftlich beschwert oder wollen Klage bei Gericht einreichen. Zum einen mutet willkürlich an, dass die Beschäftigten dem Wortlaut der Verfügung nach ausdrücklich nicht betroffen sind, d.h. wenn diese nun hustend, schniefend, niesend über die Gänge flanieren, dann ist das wohl so. Zum anderen muten die Maßnahmen völlig unverhältnismäßig an und stellen einen schweren Eingriff in die familiären und freundschaftlichen Bindungen der Betroffenen (Insassen, sowie deren Angehörige und FreundInnen) dar, gegen die sie sich erstmal nicht wirklich effektiv wehren können.

Folgt man den Medienberichten, wonach sich die Corona-Thematik über viele Monate, vielleicht auch ein oder zwei Jahre hinziehen wird, handelt es sich wohl auch nicht um eine nur sehr kurzzeitige Maßnahme.

Wohlgemerkt, in der JVA selbst gibt es keinen Coronaverdacht, es geht (angeblich) nur um den „Schutz der Bediensteten und Inhaftierten vor einer möglichen Erkrankung sowie (der) Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs und des Ablaufs“.

 

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg