Rassistische Morde: Spendenaufruf für die Familie des vor 15 Tagen ermordeten Arkan Hussein Khalaf /// Jahrestag der Ermordung von WilliamTonou-Mbobda in Hamburg

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            Vor 15 Tagen, am Dienstag, 05. April wurde Arkan Hussein Khalaf in Celle ermordet.

           Die Staatsanwaltschaft Lüneburg kann keinen rechten Hintergrund ausmachen, die Familie bittet um Spenden,s.u.

 

    Vor fast genau einem Jahr wurde WilliamTonou-Mbobda in Hamburg umgebracht. Er starb, nachdem er am 21. April vom       Sicherheitsdienst des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zwangsfixiert worden war. Unten die Stellungnahme der Black   Community Coalition for Justice & Self-Defense zum ersten Jahrestag des Todes.

 

 

Spendenaufruf für die Familie von Arkan Hussein Khalaf

21.04.2020

Solidarität mit den Betroffenen des mutmaßlich rassistischen Mords in Celle

Am Abend des 7. April 2020 wurde Arkan Hussein Khalaf  in Celle erstochen. Arkan war erst 15 Jahre alt und lebte seit 2015 in Celle, nachdem er mit seiner Familie vor dem Völkermord des IS aus Şengal nach Deutschland geflüchtet war.

Arkans große Schwester Halime Hussein Khalaf sagt: „Arkan war der Jüngste von uns Geschwistern, er ging in die Oberschule Westercelle. Er konnte niemandem etwas zuleide tun und hatte keine schlechten Angewohnheiten, er war dem ezidischen Glauben verbunden. Warum ist er auf offener Straße ermordet worden? Wir tun doch niemandem etwas. Jetzt ist uns alles genommen worden.“ Der Tod von Arkan erschüttert die Familie, seine Freund*innen und viele solidarische Menschen. Wir verspüren Schmerz, Trauer und Wut.

In den sozialen Medien hat der mutmaßliche Täter Daniel S. teils widersprüchliche Aussagen und Likes gemacht, die seine Nähe zu rechten Verschwörungstheorien vermuten lassen; außerdem hatte er dort Kontakte zu Neonazis. Anstatt diese Anhaltspunkte für ein rassistisches Motiv zu verfolgen, die Parallelen zu den Tätern von Hanau und Halle aufzeigen, hat die Polizei ein politisches Motiv schnell ausgeschlossen. Stattdessen wird – wieder einmal – von einem verwirrten Einzeltäter gesprochen.

Wenn Migrant*innen in diesem Land ermordet werden, unmittelbar und ohne Konfrontation, muss Rassismus als zentrales Tatmotiv gelten, solange es nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Wir dürfen nie wieder, wie im Fall des NSU, den vorzeitigen Ausschluss rechter Tatmotive durch die Behörden gelten lassen. Wir werden weiter hinschauen und die Familie unterstützen.

Wir trauern um Arkan und wir fordern eine vollständige Aufklärung des Mordes und insbesondere des möglichen politischen Motivs. Aber es braucht jetzt noch mehr: Die hinterbliebene Familie benötigt dringend finanzielle Unterstützung.

Mit eurer Spende leistet ihr eine notwendige Soforthilfe für die Kosten der  Bestattung und Trauerfeier, für die Akutversorgung und unmittelbare finanzielle Schäden und setzt ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit Betroffenen und Hinterbliebenen von Opfern von rechter Gewalt.

Kontoverbindung des Opferhilfefonds:2

Empfänger: VBRG e.V.
Verwendungszweck: “Celle 2020”
IBAN: DE 38 4306 0967 1177 9013 01
BIC: GENO DE M1 GLS

Erstaufrufende in alphabetischer Reihenfolge:

ALC – Antifaschistische Linke Celle
Attac Celle
Buntes Haus Celle
Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus
empower Hamburg
Êzîdischer Frauendachverband SMJÊ
Êzîdischer Frauenverein „Hêvî – Hilfe für Frauen in Not“
feministischen Kampagne “Gemeinsam Kämpfen“
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Fridays for Future Celle
glokal e.V.
HCÊ Bündnis der Êzîdischen Jugend e.V.
Jugendliche ohne Grenzen
Justizwatch
MCÊ Mala Êzîdiya Celle/Êzîdisches Kulturzentrum Celle e.V.
MŞD – Rat der Êzîden aus Şengal in Europa
NAV-YEK Zentralverband der Êzîdischen Vereine e.V.
Netzwerk für (rassismus)kritische Migrationsforschung: Repräsentation, Community & Empowerment
Netzwerk Polylux e.V.
ReachOut Berlin
RespAct Niedersachsen
Tribunal „NSU-Komplex auflösen“
Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt  e.V.

Sie möchten unseren Aufruf mitunterzeichnen? Senden Sie eine kurze Mail an info@verband-brg.de mit dem Betreff „Celle 2020“, ihrem vollständigen Namen und Funktion.

Die Kurdische Gemeinde trauert

ANF fordert: Nach Celle: Klare Statements aus Politik und Gesellschaft

Aus der FR: Tod eines Jungen in Celle: Die Sprache entlarvt die Blindheit der Behörden gegenüber Rassismus

Die Zeit: Totschlag in Celle: Aus Hass erstochen?

 

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Erster Todestag von Bruder William Tonou-Mbobda – Wir klagen an!

Hamburg, den 21. April 2020

Wir, die Black Community Coalition for Justice & Self-Defense gedenken an diesem 21. April 2020 unserem Bruder William Tonou-Mbobda, der vor genau einem Jahr durch eine brutale Zwangsfixierung durch 3 Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes KLE am UKE Hamburg ohne richterliche Anordnung gewaltsam aus seinem noch jungen Leben gerissen wurde. Unsere Gedanken sind am heutigen Tag besonders mit den trauernden Angehörigen und Freunden, die bis heute weder eine Entschuldigung, noch eine nachvollziehbare Aufklärung erfahren durften.

Wir erneuern heute nochmals das Versprechen der Black Community Hamburg an die Familie des Ermordeten, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, um das Verbrechen restlos aufzuklären und Gerechtigkeit herzustellen.

Da von der Staatsanwaltschaft Hamburg bis heute keine Anklage erhoben wurde, ist der aktuelle Stand der Strafverfolgung weder für die Familie, noch für die Öffentlichkeit nachvollziehbar.
Daher klagen wir an seinem ersten Todestag die folgenden Personen, Institutionen und Zustände ersatzweise zivilgesellschaftlich an:

1. Wir klagen die gewalttätigen Sicherheitsmitarbeiter des UKE-Tochterunternehmens Klinik Logistik & Engineering GmbH an, unseren Bruder Tonou-Mbobda am 21. April 2020 gemeinschaftlich getötet zu haben, indem sie seine Arme in Bauchlage auf dem Rücken fixiert und ihn zumindest teilweise durch ihr Körpergewicht zusätzlich beschwert haben. Damit haben sie einen lagebedingten Erstickungstod des Getöteten bedingt vorsätzlich in Kauf genommen.

2. Wir klagen die verantwortliche Stationsärztin der UKE-Psychiatrie an, die gewalttätige Zwangsunterbringung von Bruder Tonou-Mbobda ohne Vorliegen eines richterlichen Unterbringungsbeschlusses rechtswidrig angeordnet und im Folgenden nicht ärztlich beaufsichtigt zu haben. Wir klagen sie an, die von Tonou-Mbobda vorgebrachten Bedenken gegen die Einnahme des verordneten Medikamentes wegen nachweislicher allergischer Reaktion nicht ernst genommen zu haben. Darüber hinaus wäre auch der traumatische Verlust seines Bruders durch eine ebenfalls allergische Reaktion auf ein Medikament ein Grund für das Anbieten einer alternativen Behandlungsstrategie gewesen. Zudem klagen wir sie an, den später bei der rechtsmedizinischen Untersuchung festgestellten, schwerwiegenden angeborenen Herzfehler nicht schon bei einer sorgfältigen Aufnahmeuntersuchung zum Ausschluss körperlicher Ursachen seiner psychischen Überforderung diagnostiziert zu haben.

3. Wir klagen die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKE sowie das UKE als Gesamtunternehmen an, den Hinterbliebenen des in ihrer Verantwortung verstorbenen Tonou-Mbobda zu keiner Zeit psychologische Hilfe zukommen gelassen haben. Darüber hinaus erfolgte für die Familienangehörigen keine persönlich nachvollziehbare Erklärung darüber, wie und warum ihr Sohn, Bruder und Cousin hat gewaltvoll sterben müssen. Wir klagen an, dass es bis zum heutigen Tag keinerlei persönlich an die Familie gerichtete bzw. überbrachte Mitleidsbekundung der verantwortlichen Klinik oder des UKE gegeben hat.

4. Wir klagen das UKE an, öffentlich und unter Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht ein stigmatisierendes Bild vom Verstorbenen als „aggressivem Kranken“ gezeichnet zu haben, um die Öffentlichkeit über die eigene Verantwortung für den Tod des Patienten zu täuschen.

5. Wir klagen die Klinik für Intensivmedizin des UKE an, eine zeitnahe externe rechtsmedizinische Untersuchung und Dokumentation der Verletzungsfolgen trotz ausdrücklichem Hinweis unterlassen zu haben bzw. erst mehrere Tage später veranlasst zu haben.

6. Wir klagen das Institut für Rechtsmedizin des UKE an, den Auftrag zur Obduktion in leitender Verantwortung von Herrn Prof. Dr. Klaus Püschel trotz Vorliegens eines offensichtlichen Interessenskonfliktes durch die Anstellung im Unternehmen UKE angenommen und durchgeführt zu haben. Darüber hinaus klagen wir Herrn Prof. Dr. Klaus Püschel und sein Obduktionsteam an, einen einseitig ausgerichteten Obduktionsbericht unter vollständiger Auslassung der Diskussion eines naheliegenden lagebedingten Erstickungstodes erstellt zu haben. Diese Unterlassung bestätigt den oben bereits angeklagten Interessenskonflikt sowohl fachlich als auch faktisch.

7. Wir klagen die Staatsanwaltschaft Hamburg an, die Ermittlungen im Tötungsdelikt Tonou-Mbobda bis zum heutigen Tage ohne Erhebung einer Anklage verschleppt zu haben. Wir klagen die Staatsanwaltschaft weiter an, den Auftrag zur Obduktion an das Institut für Rechtsmedizin am UKE vergeben zu haben, obwohl ein Interessenkonflikt offensichtlich war. Die Beteiligung einer externen Rechtsmedizinerin unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Püschel war weder geeignet noch angemessen, diesen Interessenskonflikt zu beseitigen oder unwirksam zu machen.

8. Wir klagen das UKE als Gesamtunternehmen an, die effektive Weiterbildung seiner Mitarbeiter*innen zu den Themenbereichen lagebedingter Erstickungstod sowie der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde „Verhinderung von Zwang“ vom 10.09.2018 unterlassen zu haben. Anders ist sowohl das tödliche Vorgehen der Sicherheitsdienstmitarbeiter am 21.04.2019 gegen unseren Bruder Tonou-Mbobda, als auch die Einschätzungen von UKE-Mitarbeiter*innen zum angeblich „professionellen“ bzw. „angemessenen“ Vorgehen dieser Sicherheitsdienstmitarbeiter nicht zu erklären.

9. Wir klagen das UKE als Gesamtunternehmen an, kein Interesse an der Bereitstellung von effektiven und geschützten Meldemöglichkeiten wegen rassistischer oder anderer menschenverachtender Vorkommnisse zu haben bzw. ein solches nicht den tatsächlichen Erfordernissen angepasst zu haben. Darüber hinaus klagen wir das UKE an, keinen verantwortungsvollen Mechanismus im Umgang mit medizinisch bedingten Todesfällen oder Schädigungen für Angehörige bereit zu halten, da dieses im vorliegenden Falle nachweislich unterblieben ist.

10. Wir klagen das UKE als Gesamtunternehmen an, wenn überhaupt ein nur rudimentäres Verständnis von den institutionalisierten Wirkmechanismen von Rassismus und darüber hinaus eine absolut unangemessene Fehlerkultur offenbart zu haben. Das UKE war weder in der Lage angemessen mit dem Tod unseres Bruders Tonou-Mbobda noch mit den Hinterbliebenen und Freunden respektvoll und reflektiert umzugehen.

Unsere Forderungen zum ersten Todestag von Bruder Tonou-Mbobda:

Wir fordern das UKE auf, sich bei den Hinterbliebenen in angemessener und persönlicher Art und Weise für den Tod von William Tonou-Mbobda zu entschuldigen und die entstandenen Kosten für Überführung und Beerdigung des Leichnams zu erstatten.

Wir fordern die Staatsanwaltschaft Hamburg auf, die Anklage nun ohne weiteren Zeitverzug einzureichen bzw. zuverlässig zu erklären, wann eine solche Anklageerhebung stattfinden wird.

Wir fordern Menschen afrikanischer Herkunft auf, am heutigen Tag gemeinsam mit uns unserem Bruder William Tonou-Mbobda und seiner Familie zu gedenken. Wir fordern Euch auf, die Familie in ihrem Kampf für Aufklärung und Gerechtigkeit mit allen Kräften zu unterstützen und diesen Fall über die Grenzen von Deutschland hinaus insbesondere in Afrika bekannt zu machen.

Wir fordern die solidarische Zivilgesellschaft in Hamburg und ganz Deutschland auf, die Kämpfe der Black Communities in Deutschland für die Aufklärung von institutionalisierten Morden an Schwarzen und anderweitig rassifizierten Menschen anzuerkennen und zu unterstützen. Es ist Aufgabe der deutschen Mehrheitsgesellschaft den in ihr, ihren Behörden und Institutionen systemisch wirkenden Rassismus etwa durch Racial Profiling, Sondergesetze und Leistungseinschränkungen für Asylbewerber*innen oder vorurteilsbasierte Rechtsprechungen wirksam zu beenden.

Der gewaltsame Tod von Tonou-Mbobda ist kein Einzelfall!

Dass immer wieder Schwarze Menschen in der Verantwortung oder aufgrund von Verantwortungslosigkeit deutscher Institutionen und Behörden sterben müssen oder schwer verletzt und benachteiligt werden, ist leider bittere Erfahrung unserer Community auch hier in Hamburg seit vielen Jahren:
2001 verstarb Achidi John am Institut für Rechtsmedizin des UKE – er wurde durch das gewaltsame Einfüllen von Brechmittel durch Frau Prof. Dr. Ute Lockemann getötet…
2014 starb Francis Kwame auf den Straßen Hamburgs, nachdem er den Libyenkrieg 2011, die Flucht über das Mittelmeer und die Hoffnungslosigkeit von Italien überlebt hatte…
2016 starb Yaya Jabbi im Justizvollzug Hahnöversand in Hamburg. Die Gefängnisleitung teilte mit, dass sich Yaya selbst durch Erhängen in der Zelle getötet haben soll, obwohl es noch kurz vorher keinerlei Anzeichen dafür gab…
2017 wird der Ghanaer Obang A.A. von einem Zivilpolizisten angeschossen und und dann bis zum Eintreffen des Krankenwagens nach 15min+ später ohne jede Hilfeleistung einfach liegengelassen…
2019 stirbt William Tonou-Mbobda aufgrund einer rechtswidrigen, regelwidrigen und unangemessenen Zwangsfixierung vor der Psychiatrie am UKE…

…und für keinen dieser Toten oder Verletzten wurde bisher irgendjemand zur Verantwortung gezogen!

Touch ONE – Touch ALL

#JusticeForMbobda

https://www.facebook.com/justiceformbobda/

Stop Killing Black People!

Black Community Coalition for Justice & Self-Defense
Kontakt: Sister Oloruntoyin (+49157-85508102) und Brother Mwayemudza (+49176-99621504)

Unterzeichner*innen:
Black Community Hamburg
African Communities Organizers
AKONDA eine Welt Cafe
Alafia – Africa Festival Hamburg
ARCA – Afrikanisches Bildungszentrum e.V.
ARRiVATi Hamburg
Black Media Group Germany
ISD Hamburg – Initiative Schwarze Menschen in Deutschland
CECAM HH e.V. – Civil Engagement of Cameroonians in Hamburg

Posted on Tue, 21. Apr 2020

 

Weiteres dazu:

Pressemitteilung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh vom 21.4.2020 mit Details zum untersuchenden Mediziner

Jahrestag William Tonou-Mbobda – Wir fordern weiter Gerechtigkeit! Referat für internationale Studierende

Rassistisches Gift in der Psychatrie stellte das lower class magazine fest

Tödlicher Zwang titelte die TAZ: William Tonou-Mbobda suchte psychiatrische Hilfe in der Hamburger Uniklinik – und kam dort ums Leben.

Warum musste William Tonou-Mbobda sterben?“ fragte die Zeit