Kommt zur Kundgebung am 23.09.19 um 7:30 Uhr vor dem Landgericht Bielefeld (Eingang Niederwall) gegen die Kriminalisierung des Graffitis am AJZ!
Das zentrale Gremium der Selbstverwaltung des autonomen Zentrums hat sich entschieden gegen die von Polizei und Staatsanwaltschaft geforderte Entfernung des Wandbildes ausgesprochen und die von der Polizei hierfür gesetzte Frist verstreichen lassen. Dafür erhielt der Vorstand des Vereins des AJZ Bielefeld im Februar 2019 einen Strafbefehl über 3.000,- EUR.
Nachdem dagegen Einspruch eingelegt wurde, findet nun am Montag, 23.09.2019, um 8:00 Uhr die Verhandlung vor dem Amtsgericht Bielefeld statt.
Hierzu erklärt die Hausversammlung des AJZ Bielefeld:
„Wir fordern weiterhin die Einstellung der Kriminalisierung des Wandbildes. Die Erinnerung an den durch einen Polizisten getöteten Halim Dener darf nicht verboten oder durch die Leugnung seines politischen Hintergrundes entstellt werden. Halim Dener wurde am 30.06.1994 beim Anbringen von Plakaten mit dem Symbol der ERNK von einem Polizisten durch einen Schuss in den Rücken ermordet.
Diese Tat resultiert unter anderem aus der Kriminalisierung des kurdischen Befreiungskampfes gerade seit dem Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im November 1993. Dieses Vorgehen der Behörden wurde im Laufe der Jahre auf immer mehr kurdische Organisationen und Institutionen ausgeweitet.
Durch die öffentliche Hetze gegen Kurd*innen wurde ein Klima von Hass und Angst geschaffen, das von einer simplen Gleichung bestimmt war: Kurd*innen = PKK = Terrorist*innen. Dies drückt sich nun auch in dem Versuch aus, das Wandbild am AJZ zu kriminalisieren, das seit nunmehr 25 Jahren an den Tod Halim Deners und seine Hintergründe erinnert. An Halim Dener erinnert haben in diesem Jahr auch ca. 1.000 Menschen in Hannover, die anlässlich des 25. Todestages für ein würdevolles Gedenken an dem Ort der Tat demonstrierten und sich mit der kurdischen Bewegung solidarisierten.“
Vor dem Prozess findet ab 7:30 Uhr eine Solidaritätskundgebung vor dem Landgericht (Eingang Niederwall) statt.
Die Hausversammlung des AJZ Bielefeld im September 2019
Erklärung des AJZ vom Februar 2018:
„Am 30.06.1994 wurde Halim Dener in Hannover beim Plakatieren von der Polizei erschossen. Der tödliche Schuss traf den 16-jährigen Kurden in den Rücken während er Plakate mit dem Symbol der ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans) aufhängte.
Schockiert und wütend über diesen Mord, malte ein junger Sprayer ein Gedenk-Graffiti auf den Rollladen vom Infoladen Anschlag an der Heeperstr. 132 im Gebäude des AJZ (Arbeiter*innenjugend-zentrum) Bielefeld. Auf dem Bild zu sehen: „Ermordet von Bullen“ „Dieses Jahr in Hannover“, „Ich hoffe das ich nie von Bullen beim Sprühen erschossen werde“ und ein Portrait von Halim Dener.
Dieses Bild, das wir jedes Mal sehen, wenn wir ins AJZ gehen, ist für uns wichtig. Es erinnert an den Mord. Es lässt uns nicht vergessen, wie es in diesem Staat zugeht. Es ist nicht irgendein Graffiti, sondern eines, das seit 23 Jahren nicht übermalt, sondern erhalten wurde. Das Bild ist auch ein Gruß an unsere kurdischen Freund*innen, die von der Repression des deutschen Staates häufig heftiger getroffen werden als wir.
Nun fordert uns die Polizei Bielefeld nach mehr als zwei Jahrzehnten auf, das Bild zu entfernen, da es für sie eine Straftat darstellt. In einem Schreiben wurde mitgeteilt, dass von einer Strafverfolgung abgesehen werde, wenn das Graffiti bis zum 23.02.2018 entfernt werden wird.
Laut Anschreiben der Polizei ist auf dem Bild ein verbotenes Symbol der kurdischen Organisation CDK (Demokratische Gemeinschaft Kurdistans) zu sehen. Die CDK, die es seit dem Jahr 2004 gibt, soll die Nachfolgeorganisation der ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans) sein, deren Symbol der grüne Kreis, mit gelber Fläche und rotem Stern, war. Die ERNK wurde im Zuge des Verbots der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) im November 1993 ebenfalls verboten.
Angesichts der Entwicklungen in der Türkei, die immer mehr in eine faschistische Diktatur umgestaltet wird, der Angriffe auf die Presse- und Meinungsfreiheit sowie der aktuellen Angriffe der Türkei im Norden Syriens, bei denen hauptsächlich kurdische Menschen und Strukturen getroffen werden sollen, empfinden wir das Vorgehen der Bielefelder Polizei und Staatsanwaltschaft als zynisch.
Diese Vorgehensweise entspricht der langjährigen politischen Praxis der deutschen Bundesregierung, die nur zaghaft Kritik am Vorgehen des türkischen Staates und seinen Menschenrechts-verletzungen äußert und den Bruch mit dem türkischen Regime tunlichst vermeidet. Gilt es doch die „guten“ Beziehungen zu der Türkei zu wahren. Gemeint sind damit hauptsächlich Geschäftsbeziehungen und das Aufrechterhalten des so genannten Flüchtlingsdeals mit der Türkei.
Die Bundesregierung stimmt Waffendeals mit dem türkischen Staat zu und verhandelt über den Bau von deutschen Waffenfabriken in der Türkei. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass die Aufrüstung deutscher Panzer in der Türkei vorübergehend ausgesetzt wird, weil genau mit diesen Waffen der Angriffskrieg gegen den selbstverwalteten Kanton Afrin geführt wird. Ein solcher vorübergehender Stopp der Aufrüstung ist Augenwischerei, denn aufgrund der militärischen Angriffe, die seit Jahren gegen die Bevölkerung in den kurdischen Gebieten im Osten der Türkei geführt werden, war von vornherein klar, dass auch diese Waffen gegen die kurdische Zivilbevölkerung in oder außerhalb der Türkei eingesetzt werden würden.
Der deutsche Staat biedert sich seinem türkischen Nato-Verbündeten an, in dem er unter anderem dafür sorgt, dass die Kritik an der Türkei in Deutschland nicht zu laut wird. So wurden am 02.03.2017 die Verbote vom November 1993 ausgeweitet. Betroffen davon sind unter anderem ebenso Symbole der kurdischen Hochschulgruppen YXK (Verband der Studierenden aus Kurdistan) und JXK (Studierende Frauen aus Kurdistan), wie diverse andere kurdische Vereine und Organisationen, die nicht verboten sind. Des Weiteren fallen unter das Verbot die Symbole der zuvor im Kampf gegen den Islamischen Staat als Held*innen gefeierten YPG (Volksverteidigungseinheiten) und YPJ (Frauenverteidigungseinheiten) sowie das Konterfei von Abdullah Öcalan. Außerdem gibt es zahlreiche Strafverfahren gegen kurdische und türkische Aktivist*innen in Deutschland.
Die deutsche Polizei macht sich zum Handlanger türkischer Interessen, wenn Personen, die auf der Liste der Türkei stehen, in Deutschland festgesetzt und verhört werden. Wenn Personen, die aus der Türkei fliehen, fürchten müssen, von Deutschland wieder in die Türkei abgeschoben zu werden. Und so führt die Polizei auch den Krieg der Türkei mit den Mitteln der Repression in Deutschland fort.
Unsere Solidarität gilt den Menschen in Syrien, Kurdistan und der Türkei, die sich autoritären Regimen entgegenstellen und für eine gerechte Gesellschaft kämpfen.
Solidarität mit der YPG und YPJ!
Keine Kriminalisierung des kurdischen Widerstandes!
Weg mit dem Verbot der PKK!
Hände weg von unserem Graffiti!
In Gedenken an Halim Dener – ermordet von Bullen!„