Wir dokumentieren an dieser Stelle die Prozesserklärung von zwei Genoss*innen
Wir standen vor Gericht wegen Protesten gegen eine Zwangsräumung in Herrenhausen im März 2017. Uns beiden wurde gemeinschaftlich handelnde “Sachbeschädigung” und einem von uns zusätzlich “Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte” vorgeworfen.
Nach einer dünnen Beweislast von geladenen Bullenzeugen und Videos konnte uns keine Sachbeschädigung nachgewiesen werden und auch das Ausmaß des “Widerstands” erschien selbst dem Richter eher albern.
Der Prozess wird jetzt ohne Bedingungen eingestellt, sodass wir weder Gerichtskosten noch Geldauflagen zahlen müssen. Die Anwaltskosten übernimmt der Staat für die “Sachbeschädigung”, aber nicht für “Widerstand”, sodass wir die Hälfte der Anwaltskosten selbst zahlen müssen.
Im Prozess wurde viel darüber diskutiert, wer vor der Polizei angefangen hat, den Putz eines Miethauses des Wohnungsunternehmens “hanova” zu beschädigen.1 Dieses Unternehmen mit städtischem Anteil kann einerseits trotz mehrfacher Nachfragen den Schaden nicht einmal beziffern und macht andererseits 90 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Natürlich wurde nicht darüber geredet, dass dieser hohe Umsatz von einer Vielzahl von Mieter_innen mit häufig schmalem Geldbeutel bezahlt wird und dass das Recht der Mieter_innen auf ein Dach überm Kopf dem Unternehmen nicht so wichtig ist wie seine Umsätze oder ein bisschen Putz. Hier wurde gleichzeitig wegen Schulden geräumt und ein Angebot des Jobcenters, die Schulden zu übernehmen, abgelehnt. Während sich auf der eigenen Homepage “eine sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung der Bevölkerung Hannovers” als Ziel gesetzt wird, wurde in diesem Fall im Briefverkehr eine ärztlich attestierte Suizidgefährdung der Mieterin als Lüge dargestellt. Im gleichen Schreiben wird pauschal allen Betroffenen von Räumungsverfahren vorgeworfen, sich gerne mal eine Suizidgefährdung auszudenken. Es gibt leider viele Fälle, in denen sich Mieter_innen vor oder nach ihrer Zwangsräumung das Leben genommen haben. Aber in Deutschland wird Eigentum groß geschrieben und beispielsweise hat der Bundesgerichtshof 2005 entschieden, dass Suizidgefährdung kein Grund ist, eine Zwangsräumung auszusetzen. Immer wieder werden Hundertschaften der Polizei mobilisiert, um Mieter_innen gewaltvoll aus ihrer eigenen Wohnung zu verdrängen. Dass Polizist_innen im Rahmen von Protesten gegen Zwangsräumungen und Anderes in beliebige Situationen “Widerstand gegen Vollstreckunsbeamte” reininterpretieren und gleichzeitig vor Gericht meistens als glaubwürdigste Zeug_innen empfunden werden, ist ja nichts Neues.
Wir haben zu der Sache keine Aussagen gemacht und werden uns auch für die Zukunft davon nicht einschüchtern lassen.
In Hannover wird immer noch durchschnittlich mehr als eine Person pro Tag zwangsgeräumt und die Zahl der Entmietungen dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Bis also eine “sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung der Bevölkerung Hannovers” erreicht ist, gibt es noch viel zu tun!
Wenn ihr uns oder andere Betroffene von Repression im Zusammenhang mit Protesten gegen Verdrängung unterstützen wollt, könnt ihr entweder Geld überweisen an
Rote Hilfe e.V, IBAN: DE42 4306 0967 4007 2383 57, Verwendungszweck: Recht auf Stadt
oder eure Spende am 1. oder 3. Mittwoch im Monat zwischen 19 und 21 Uhr beim Kiezkollektiv in der Stärkestraße 19a vorbeibringen. Wenn ihr dort einfach so vorbeikommt ist auch schön.
¹Eine Spanplatte, die wir angeblich vor der Wohnungstür angebracht haben, um den Eingang zu versperren, wurde von der Polizei später von außen aus der Wand gerissen, anstatt von innen die Nägel zu lösen. Vorher hatten sie bereits die Wohnung durchs Fenster betreten.