Personalausweis neu beantragen, jetzt!

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Ab August 2021 gilt der Zwang zur Speicherung von Fingerabdrücken auf dem Personalausweis.

Ab dem 02.08.2021 werden verpflichtend beim Beantragen eines Personalausweises Abdrücke beider Zeigefinger abgenommen, die dann auf einem Chip im Personalausweis gespeichert werden.

Siehe Personalausweisgesetz – PAuswG

Wenn ihr vor August einen neuen Personalausweis beantragt, könnt ihr der Pflicht für einige Jahre entgehen. Bei den Einwohnermeldeämtern muss sich aktuell auf Wartezeiten für einen Termin von 2-3 Monaten eingestellt werden. Es bleibt also keine Zeit zu verlieren! Lasst uns dem Staat nicht unsere Daten schenken! Die Geschichte wiederholt sich: Biometrische Ausweisfotos, die anfangs auch nur zur Authentifikation der Ausweise dienen sollten, werden mittlerweile bei gesichtserkennenden Kameras eingesetzt!

 

 

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Personalausweis ohne Fingerabdrücke beantragen

Bis zum 02. August 2021 ist es noch möglich einen herkömmlichen Personalausweis zu beantragen. Die Abgabe und Speicherung der Fingerabdrücke ist bis zu diesem Datum freiwillig.

So kommt man an den Personalausweis ohne Fingerabdrücke:

  1. Vor dem 02.08.2021 zum Bürgeramt gehen! (rechtzeitig Termin buchen)

  2. Biometrisches Passfoto mitnehmen, ggf. zusätzlich alten Personalausweis, (Reisepass, Kinderausweis, Kinderreisepass) oder die Geburtsurkunde

  3. Im Bürgeramt ausdrücklich einen Perso ohne Fingerabdrücke verlangen. Manche Behörden bestehen auf die Abgabe von Fingerabdrücken, obwohl das noch bis zum 2. August freiwillig ist. Mehr Infos darüber findet ihr hier.

Wann ist die Beantragung eines neuen Persos möglich?

  • Wenn der aktuelle Perso innerhalb von 6 Monaten abläuft oder schon abgelaufen ist

  • Wenn das Passbild nicht mehr aktuell ist

  • Wenn der Perso stark beschädigt oder zerstört ist

  • Wenn der Perso verloren gegangen ist

Sollten die oben genannten Punkte allesamt nicht zutreffen, man aus nachvollziehbaren Grünen aber unbedingt noch einen Perso ohne Fingerabdrücke haben wollen, dann hilft nur eine Verlustmeldung. Ist ein Personalausweis nämlich verloren gegangen, dann muss das Bürgeramt auch einen neuen ausstellen.

(Für das Beantragen eines Reisepasses ist das alles schon eingeführt worden, auch dort kommt man um die Abgabe der Fingerabdrücke nicht mehr herum. Es sei denn, man scheut nicht den zeitlichen und finanziellen Aufwand und behilft sich jedes Mal mit einem vorläufigen Reisepass. Dieser vorläufige Reisepass ist bis heute fingerabdruckfrei und wird von vielen – aber nicht allen! –  Ländern akzeptiert)

 

Warum Fingerabdrücke ein Problem sind

Wir alle hinterlassen überall und dauernd Fingerabdrücke. Man kann sich leicht vorstellen, wie der Staat dies zur Begründung für weitere Ermittlungen heranziehen wird und auch welche Überwachungsmöglichkeiten sich hieraus ergeben. In der Vergangenheit hat sich mit jedem neuen Datensammelparagraphen gezeigt, dass überall, wo der Staat Daten erhebt, diese Daten Begehrlichkeiten von Überwachungsbehörden wecken. Selbst wenn der direkte Zugriff von Polizei und Geheimdiensten vorerst ausgeschlossen ist, wird erfahrungsgemäß einige Jahre später die Gesetzeslage so verschärft, dass Behörden Zugriff auf diese Daten erhalten und sie aktiv nutzen können.

Die digitalcourage dazu:

Die Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken ist aus unserer Sicht ein Fehler, weil sie politische, technische, grundrechtliche und ethische Gefahren enthält, aber keine Probleme löst.

  • Lebenslange Kontrolle: Ein Fingerabdruck ist ein biometrisches Merkmal, welches einen Menschen ein Leben lang kontrollierbar macht. Menschen können, wenn es sein muss, Namen und Wohnort wechseln, um sich beispielsweise vor Verfolgung oder Bedrohung zu schützen. Biometrische Daten wie Fingerabdrücke erlauben das nicht.

  • Übergriff statt Schutz: Die anlasslose und massenhafte biometrische Erfassung von Fingerabdrücken ist ein nutzloser und gefährlicher Übergriff des Staats auf die Bevölkerung. Demokratien und Rechtsstaaten haben die Aufgabe, Bürgerinnen und Bürger vor derartigen Übergriffen zu schützen.

  • Freiheit wird schrittweise abgeschafft: Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen werden stets erweitert und verschärft, aber so gut wie nie zurückgefahren. Ohne politischen Kurswechsel werden in Zukunft immer mehr Arten sensibler Biometriedaten millionenfach erhoben, gespeichert und für alle möglichen Zwecke genutzt.

  • Risiko Zugriffserweiterung: In Deutschland dürfen Polizei und Geheimdienste seit 2017 automatisch auf biometrische Passbilder von Personalausweisen zugreifen. Dabei gibt es wenig Kontrolle durch Aufsichtsbehörden. Eine Ausweitung der Zugriffsmöglichkeiten auf die Fingerabdrücke scheint nur eine Frage der Zeit.

  • Kontrollverlust durch Drittstaaten: Durch „weltweite Interoperabilität – auch bei der Maschinenlesbarkeit und der Sichtprüfung“ (Erwägungsgrund Nr. 23) können die biometrischen Daten auch an Behörden in Staaten, in denen Freiheitsrechte nicht geschützt sind, gelangen. Spätestens hier gibt es keine Kontrolle darüber, wohin die biometrischen Daten der Bürgerinnen und Bürger gelangen.

  • Kontrollverlust durch Unternehmen: Bei „Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleistungsanbieter“ (Erwägungsgrund Nr. 42) können auch private Unternehmen Zugriff auf die Daten erhalten, siehe auch Artikel 11 „Schutz personenbezogener Daten und Haftung“.

  • Kontrollverlust durch Geheimdienste: Nach den Enthüllungen von Edward Snowden haben es die Regierungen der EU-Länder versäumt, die Macht von Geheimdiensten wirksam einzuschränken. Im NSU-Skandal hat der mit einem BigBrotherAward für sein Lebenswerk ausgezeichnete sogenannte deutsche „Verfassungsschutz“ die Aufklärung von Terror behindert. Geheimdienste arbeiten unkontrolliert und grundrechtefeindlich. Es muss davon ausgegangen werden, dass Geheimdienste sich unkontrolliert Zugriff auf die biometrischen Daten der EU-Bürgerinnen und -Bürger verschaffen werden.

  • Risiko Datenvernetzung: Bereits jetzt arbeiten „Sicherheits“- Politiker.innen an einer vernetzten, EU-weiten Datenbankstruktur mit Fingerabdrücken, Gesichtsbildern und anderen Biometriedaten, siehe netzpolitik.org vom 17. Juli 2020 und unseren Text zu diesem Thema. Datenbanken von Verwaltungen, Polizei, Geheimdiensten und Firmen wachsen ständig. (siehe Programme: Next Generation Prüm, Polizei 2020, Ausbau des Visa-Information-Systems oder des Schengener-Informations-Systems SIS II).

  • Kinder betroffen: Laut EU-Verordnung werden Kinder ab 6 Jahren erfasst, wobei die einzelnen Regierungen der EU-Ländern die Möglichkeit haben, Kinder bis 12 Jahren von der Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken zu befreien.

  • Illegitim in Demokratien: Ralf Bendrath erläutert in seinem Beitrag „Zur Geschichte der Fingerabdrücke in Ausweisen“: „Ausweise gehen in Deutschland auf die von den Nazis ab 1938 eingeführte „Kennkarte“ zurück, deren Mitführen für Juden zwingend war. (…) In Spanien wurde die Erfassung von Fingerabdrücken für die nationale Identitätskarte, die bis heute gilt, 1940 während der Franco-Diktatur eingeführt. Was nun allen BürgerInnen aufgenötigt wird, steht also ganz klar in der Tradition verbrecherischer Regime.“ In Frankreich nutzte das Vichy-Regime ab 1942 den Eintrag Jude auf Ausweisen für die Deportation von 76.000 Menschen im Holocaust. Die erste Ausweispflicht in Deutschland wurde von den Nazis im Juli 1938 mit der „Kennkarte“ eingeführt. Es gab drei Verordnungen für wen es verpflichtend war, eine Kennkarte bei sich zu führen. Dazu zählten alle wehrpflichtigen Männer, Grenzgänger*innen und Menschen jüdischen Glaubens. In Spanien wurde 1940, während der Franco-Diktatur, die Erfassung von Fingerabdrücken für die nationale Identitätskarte eingeführt und gilt bis heute. In Frankreich nutzte das Vichy-Regime ab 1942 den Eintrag Jude/Jüdin auf Ausweisen für die Deportation von 76.000 Menschen im Holocaust. Das Konzept der Ausweispflicht wurde von verbrecherischen Regimen eingeführt, an nachfolgende Regierungsformen angepasst und technisch verfeinert. Dies war der Beginn eines überwachungsstaatlichen Modells, welches seither nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt wurde.(mehr dazu auf lto.de vom 22.7.2018: 80 Jahre Ausweispflicht: Wie ein Nazi-Minister den Überwachungsstaat durchsetzte)

  • Datensicherheit: Die Daten der gespeicherten Fingerabdrücke auf den neuen Personalausweisen können kontaktlos ausgelesen werden. Ein Speichermedium, das heute nicht geknackt werden kann, kann möglicherweise in 10 Jahren geknackt werden.

 

Die Geschichte wiederholt sich: Zur Fingerabdruck-Pflicht

Was bei der Bevölkerung unpopulär ist, durch Berufung auf Brüssel einführen: Dieser Trick, bekannt von der ersten Durchsetzung der Vorratsdatenspeicherung 2007, war bei der vom Bundestag beschlossenen Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken für alle Bürger*innen wieder zu bewundern. Dabei fällt es fast schwer, die Empörung aufzubringen, die gegen diesen bürger*innenrechtlichen Dammbruch eigentlich angebracht wäre, denn mit EURODAC und VIS setzt die EU Daktyloskopie schon seit Jahren gegen Menschen ohne passende Staatsbürgerschaft ein. Dass dies nun auf die eigenen Bürger*innen zurückfällt, könnte geradezu als Fluch der Gleichgültigkeit angesehen werden.

Dennoch: Hier findet der nächste Schritt zur Umkehrung der Beweislast statt. Wir alle hinterlassen überall Fingerabdrücke. Wird ein Fingerabdruck am falschen Ort gefunden – beispielsweise an einem ohne Genehmigung geklebten Plakat oder einem Stück Klebeband an einem kritischen Transparent vor einem Parteibüro – *und kann zugeordnet werden*, werden sich die fraglichen Personen dem vollen Spektrum polizeilicher Maßnahmen von Vorladung über Hausdurchsuchung bis Gewahrsamnahme oder Untersuchungshaft ausgesetzt sehen. Die beschlossenen Maßnahmen reichen dafür noch bei weitem nicht. Doch, die Geschichte wiederholt sich: Die biometrischen Ausweisfotos, die anfangs, wie jetzt die Fingerabdrücke, auch nur zur Authentifikation der Ausweise dienen sollten, sind mittlerweile im Online-Zugriff der Behörden und werden eingestandenermaßen in gesichtserkennenden Kameras eingesetzt. Wie viele kleine Krisen werden die Behörden brauchen, um nach und nach die Beschränkungen der Nutzung der nun bevölkerungsweit erfassten Fingerabdrücke abzubauen?

Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. merkte dazu an:

„Sollten wir es in den nächsten Jahren wirklich nicht schaffen, diesen Übergriff zurückzudrängen, sage ich voraus, dass die Polizeien bei Ausweiskontrollen angetroffene Fingerabdrücke mit Fahndungsdaten werden abgleichen wollen. Die Forderungen werden fast sicher sogar kommen, noch bevor nach EU-Rechtslage fingerabdrucklose Personalausweise 2031 ungültig werden. Und da die SPD schon dem heute verabschiedeten Gesetz nichts entgegengesetzt hat, wird sie auch diesen Forderungen nichts entgegensetzen können.“ Sie führte weiter aus: „Die Alternative wäre ganz einfach: Die Bundesrepublik hat zehn Jahre Zeit, die unselige EU-Vorordnung zu kippen oder sich zumindest eine Ausnahmeregelung geben zu lassen, wie sie für Länder ohne Identitätskarten ohnehin schon besteht. Das braucht keine Revolution und auch keinen Koalitionsbruch. Das braucht nur einen Hauch Instinkt für Menschenrechte.“

Genau genommen ist es strafbar, den Ausweis zu zerstören. Denn der Ausweis bleibt im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 2 PAuswG (Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis). Dass man nur seine eigenen Sachen beschädigen darf, ergibt sich wiederum aus dem § 303 Abs. 1 StGB (Strafgesetzbuch). Dort wird Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren angedroht, wenn man rechtswidrig eine fremde Sache zerstört oder beschädigt.

Den Nachweis zu führen, das man den Chip selbst zerstört hat ,( z. B. Mikrowelle) , dürfte nicht möglich sein . Bei Reisen ins Ausland mit Kontrolle kann es aber zu Problemen führen.

 

Mehr dazu unter:

https://digitalcourage.de/blog/2020/keine-fingerabdruecke-personalausweis-persoohnefinger

https://www.labournet.de/interventionen/grundrechte/kommunikationsfreiheit/datenschutz/persoohnefinger-fingerabdruecke-im-personalausweis-was-tun/

https://www.freitag.de/autoren/geh-ma/fingerabdruck-auf-dem-personalausweis