Oury Jalloh: Justiz stellt Feuertod-Verfahren ein! Bitte helft uns!

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27. Okt. 2019 — 

Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

am letzten Mittwoch, den 23.10.2019 lehnte der Erste Strafsenat des Oberlandesgerichtes (OLG) Naumburg den Antrag von Oury Jallohs Bruder Mamadou Saliou Diallo auf gerichtliche Entscheidung über die Erhebung öffentlicher Anklage wegen Mordes an Oury Jalloh ab. Der Beschluss bedeutet im Wesentlichen das Ende der juristischen Nicht-Aufklärung der Todesumstände Oury Jallohs sowie zwei weiterer Todesfälle in ein und demselben Polizeirevier durch die zuständige Justiz in Sachsen-Anhalt! 

Bitte unterstützt unsere Arbeit mit einer kleinen Spende, damit wir weitermachen und die unabhängige Untersuchungskommission ihre Aufklärungsarbeit fortsetzen kann: https://betterplace.org/p32717

Begründet hat das Gericht seine Entscheidung damit, dass der Antrag zum einen nicht den formellen Anforderungen entspräche und zudem unbegründet sei, da bereits die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg einen hinreichenden Tatverdacht in ihrem Prüfvermerk vom 4.12.2018 “zu Recht verneint hat”. Damit stellt sich der Erste Strafsenat des OLG Naumburg mit seinem Beschluss in allen wesentlichen Punkten hinter die von der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen-Anhalts vorgebrachten, unwissenschaftlichen und fantasiereichen Argumentationsketten. Sie verschließt sich damit allen bislang gewonnen Fakten und Expertenmeinungen bzw. interpretiert diese in unhaltbare Überzeugungen, die nicht der Realität entsprechen, um.

Solange aber die Wahrheit nicht offiziell aufgeklärt worden ist und die Mörder meines Freudes Oury Jalloh und die von Mario Bichtemann und Hans-Jürgen Rose noch immer ungestraft und frei sind, werde ich dafür kämpfen, dass  die Akten nicht geschlossen werden. Denn wo Recht durch staatliche Institutionen in offensichtliches Unrecht verkehrt wird, wo Polizeibeamte Menschen weiterhin aus rassistischen Motiven töten und verbrennen können und die Justiz und Politik diese Täter*innen um jeden Preis schützen will und Tatsachen vertuscht, da wird zivile und unabhängige Aufklärung zur gemeinsamen Pflicht! Ich kämpfe weiter, bis der Mord an meinem Freund Oury Jalloh, Mario Bichtemann und Hans-Jürgen Rose im Schoße der Dessauer Polizei aufgeklärt sind!

An diesem Wochenende veranstalten wir von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh eine Strategie- und Analysekonferenz in Berlin, auf der wir mit vielen anderen Aktivisten*innen und von rassistischer Staatsgewalt Betroffenen aus Europa, Strategien und Vorgehensweisen im Umgang damit erörtern.

Im Anschluss am Mo, den 28.10.2019 gibt es dann eine Pressekonferenz im Münzenbergsaal am Franz-Mehring-Platz 1, auf welcher die „Internationale Unabhängige Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Tod von Oury Jalloh“ die Ergebnisse eines neuen radiologisch-forensischen Gutachtens vorstellen wird. Dieses Gutachten enthält neue und belastbare Erkenntnisse, die weitere Aufschlüsse über die Todesumstände von Oury Jalloh geben.

Wir hören nicht auf zu kämpfen, hört Ihr bitte nicht auf zu spenden, damit gerade jetzt, wo der juristische Weg beendet ist, die Aufklärung des Falls durch die unabhängige Untersuchungskommission voranschreiten kann!

Bitte spendet jetzt. Jeder Euro hilft: https://betterplace.org/p32717

Herzlichen Dank für Eure Solidarität,
Euer Mouctar

Seite der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh –     BREAK THE SILENCE!

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siehe auch das umfangreiche Dossier auf labournet

Zum Hintergrund:

Am 7.01.2005 wurde der aus Sierra Leone stammende Oury Jalloh im Dessauer Polizeirevier an Händen und Füßen auf eine feuerfeste Matratze einer „Schlichtzelle“ gefesselt und verbrannt. Zur Tatortermittlung wurde kein Brandsachverständiger hinzugezogen. Es wurde kein nachvollziehbares Brandlegungsmittel aufgefunden und nicht nach Brandbeschleunigern gesucht.
3 (!) Tage später wurde ein bis dahin nicht vorhandener, verschmorter Feuerzeugrest präsentiert, der sich angeblich in einer der am Tatort sichergestellten Brandschutttüten befunden haben soll. An diesem „Beweismittel“ fanden sich jedoch keinerlei Spuren des Brandgeschehens aus der Zelle – dafür aber eingeschmolzene tatortfremde Polyesterfasern sowie zwei nachträglich angehaftete, nicht verbrannte Tierhaare. Oury Jalloh selbst hatte keinen erhöhten Kohlenmonoxidspiegel in seinem Herzblut und unauffällige Stresshormonspiegel in seinem Urin. Bis heute ist nicht geklärt, was an diesem Tag im Polizeirevier tatsächlich geschehen ist.
Erst durch den öffentlichen Druck der Initiative ist der Fall überhaupt vor Gericht gelandet. Die unfassbaren Erfahrungen der Initiative und der Angehörigen mit der vertuschenden Ermittlungsführung durch die zuständige Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau (die bisher zu keinem Zeitpunkt überhaupt einen Mord in Erwägung gezogen hat) sowie der nachfolgend dogmatischen Ignoranz gleich zweier sachsen-anhaltinischer Gerichte (die widersprüchliche bzw. zweifelnde Gutachteraussagen immer wieder im Sinne der vorgeschriebenen Selbstentzündungstheorie uminterpretiert haben) führten zu dem Entschluss, die Aufklärung der Todesumstände selbst in die Hand zu nehmen. 
2013 beauftragte die Initiative deshalb den irischen Brandexperten Smirnou, den Brandverlauf und dessen Ergebnis durch Brandversuche nachvollziehbar zu machen. Das Ergebnis: der verheerende Brandzustand aus der Zelle kann nur unter Verwendung von Brandbeschleunigern erreicht werden.
In einem weiteren Schritt hat die Initiative unabhängige Brandsachverständige, Toxikologen und Gerichtsmediziner beauftragt, die bisher vorliegende Aktenlage zu analysieren und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zu bewerten. Ergebnisse wurden in einer Pressekonferenz am 27.10.2015 vorgestellt. Im Januar 2018 wir eine unabhängige, internationale Untersuchungskommission ins Leben gerufen, die sich den Auftrag gegeben hat, die Umstände, die zum Tod von Oury Jalloh geführt haben, umfassend aufzuklären, die Gründe zu beleuchten, warum die Verfolgungsbehörden sich erst nach 12 Jahren mit der Möglichkeit befasst haben, dass Dritte Oury Jalloh getötet haben und den Fall in den politischen und gesellschaftlichen Kontext einzuordnen. 

Das rassistische Morden in den Gefängniszellen und auf der Straße geht weiter. Die Mörder von Oury Jalloh laufen weiter frei herum. 
Oury Jalloh ist kein Einzelfall und die Mörder sind keine Einzeltäter. Hinter den Morden und der Vertuschung steckt ein System, welches wir verstehen müssen, um effektiv handeln zu können.
https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/