Demonstration “Gegen Polizeigewalt und Repression”,
am Freitag, 13.12. um 19.00 Uhr, Hannover HBF
Wir bitten alle unsere Mitglieder an der Demonstration, zu der eine antifaschistische Gruppe aufruft, teilzunehmen
Aufruf:
Ob in Hannover, bundesweit oder global – Neue Polizeigesetze, die im Namen der sogenannten Sicherheit entstehen, räumen sowohl der Polizei als Institution, als auch dem einzelnen Beamten immer mehr Befugnisse ein.
Statt diese jedoch zu nutzen, um gegen die immer größer werdende Gewalt aus der rechten Szene vorzugehen, sind vor allem Menschen mit Migrationshintergrund sowie linke Aktivist*innen Opfer von polizeilichem Machtmissbrauch.
Polizeigewalt und Repression haben für die einzelnen Polizist*innen allerdings wenig Konsequenzen. Vor 25 Jahren starb der 16-jährige Halim Dener durch eine Kugel aus einer Dienstwaffe am Steintorplatz nachdem er von ZivilpolistInnen gesehen wurde, wie er für die ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistan) plakatierte. Der betreffende Beamte wurde nach seiner Aussage, der Schuss habe sich versehentlich gelöst, freigesprochen. In Dessau brannte 2005 die Arrestzelle des 36-jährigen Oury Jalloh. Bei der Autopsie offenbarten sich mehrere Knochenbrüche, die durch Misshandlung im Polizeigewahrsam entstanden sind. Auch hier musste der betreffende Polizist lediglich eine Geldstrafe bezahlen.
Machtmissbrauch von Seiten der Polizei ist kein Einzelfall.
Am 13.12. um 19:00 am Ernst-August-Platz demonstrieren wir gemeinsam gegen Polizeigewalt und Repression und zeigen gemeinsam unseren Widerstand gegen das System.
Kritik an der Parole ACAB
Ein Flugblatt der Roten Hilfe e.V. dazu ist hier zu finden: „Warum A.C.A.B. scheiße ist…“ ein Flugblatt der Roten Hilfe e.V. zum problematischen Gebrauch der Parole A.C.A.B.
Mehr dazu:
„Kampf den hohlen Parolen!“
Buvo-Hannah Aus: DIE ROTE HILFE 3 / 2012 Seiten 8 und 9
„Kampf den hohlen Parolen“ – das war auch die Überschrift eines Artikels einer linken Stadtzeitungaus Hannover im Frühjahr 2009 (vers beaux temps – wir danken für die Anregung und werden im Weiterenein wenig aus dem Artikel übernehmen).Der Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. kann sich dieser Überschrift nur anschließen, haben wir doch immer wieder und vor allem zu oft mit Anträgen auf Unterstützung zu tun,die aufgrund von hohlen Parolen und den diesen Parolen folgenden Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt an uns gestellt werden.
Eine Parole, bei der für uns die Grenze des Unterstützenswerten mittlerweile er–reicht ist, ist „A.C.A.B“, auch wenn das als weit verbreitetes Kürzel auf jeder Men–ge Shirts und Hauswänden zu sehen ist. Der Sinn des Kürzels wird allgemein mit „all cops are bastards“ übersetzt, zu deutsch: „Alle Polizisten sind Bastarde“. Auch wenn manchmal versucht wird, eine andere Bedeutung zu unterstellen (all communists are beautiful, acht cola acht bier, etc. etc.), so soll der ursprüngliche Sinn doch landläufig unbestritten die eigentliche Aussage sein.
Wir sprechen uns dafür aus, alles, was zukünftig in diesem Zusammenhang an die Rote Hilfe e.V. herangetragen werden wird, in der Regel nicht mehr zu unterstüt–zen. Dabei ist es komplett egal, ob in der Justiz um die Bewertung der Parole noch gestritten wird. Die Justiz schlägt sich mit der Frage herum, ob das Tragen eines T-Shirts mit dieser Buchstabenfolge die Straftat einer Beleidigung erfüllt und wie das überhaupt aussieht. Bundesweit gibt es dazu unterschiedliche Urteile, abgese–hen davon, dass auch des öfteren Bußgel–der aufgrund einer Ordnungswidrigkeit verhängt werden (§118 OwiG).
Ist die Polizei überhaupt beleidigungsfähig?
Eines der ersten Urteile dazu – oder das erste – fällte das Amtsgericht Tiergar–ten in Berlin. Eine Person, die an einem „Aufzug“ teilnahm, wurde von den diesen begleitenden Polizisten angezeigt. Sie trug ein T-Shirt der Firma Troublemaker mit der Aufschrift „A.C.A.B.“. Das Amts–gericht war am 19. Januar 2000 der Meinung, dass eine Beleidigung nicht vorläge. Nach Ansicht der Gerichts ist eine Gruppe (die Polizisten) zwar grundsätzlich belei–digungsfähig, diese Gruppe müsse sich aber klar abgrenzen lassen, um diese Beleidigungsfähigkeit zu erlangen. Herabsetzende Äußerungen über überschaubar große Gruppen (wie „alle Katholiken“ oder „alle Protestanten“, alle „Gewerkschaftsmitglieder“ und so weiter) schlügen dabei nicht auf die persönliche Ehre des einzelnen Angehörigen der Gruppe durch. Zum Beispiel seien nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „alle Solda–ten“ keine ausreichend definierte Gruppe („alle Soldaten sind Mörder“). Gleiches müsse dann für „alle Polizisten“ gelten. Die Strafverfolgung sei daher aus recht–lichen Gründen gemäß §170 Abs. 2 StPO einzustellen, da die Aufschrift keinen Straftatbestand erfülle. Der – unter anderem in rechten Kreisen beliebte – Kleidungshersteller Troublemaker als Vertreiber eines Großteils dieser T-Shirts in Deutschland (zwischen 1998 und 2007 hielt er die Rechte daran) freute sich ebenso wie das Nazi-Portal „Volksfront Medien“: „Die Klamotten sind legal!“ Allerdings: „Rechtssicherheit“ könne letztlich „erst das Bundesverfassungsgericht bringen“.
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit rechtskräftiger Entscheidung vom 23. Juni 2008 (Az.: 1 Ss 329/0) kundgetan, dass die Äußerung „A.C.A.B.“ zu einem Polizisten eine strafbare Beleidigung (§185 Strafgesetzbuch) darstellt. Der Angeklagte hatte einem Polizisten aus einiger Entfernung laut „A.C.A.B.“ zugerufen und dabei mit ausgestrecktem Arm auf ihn gezeigt. Eine andere Bedeutung der Buchstabenkombination als „all cops are bastards“ wurde dabei ausgeschlossen. Das Gericht wies aber auch darauf hin, dass das Kürzel auf der Kleidung als eine straflose Kollektivbe–zeichnung gewertet werden könne.
Am 8. Dezember 2011 hat das Landgericht Karlsruhe entschieden (Az.:11.Ns 410 Js 5815/11), dass das Zeigen des Kürzels unter gewissen Umständen nicht strafbar ist. Bei einem Fußballspiel zeigten mehrere Zuschauer ein entsprechendes Banner, einer von ihnen wurde vom Einsatzleiter der Polizei angezeigt. Dieser fühlte sich in seiner Ehre verletzt. Das Amtsgericht Karlsruhe verurteilte den Angeklagten zuerst zu 25 Tagessätzen wegen Beleidigung, auf seinen Einspruch hin wurde das Urteil aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft ging in Revision vor das Landgericht Karlsruhe. Auch dieses sprach den Angeklagten frei. Das Kürzel sei nicht strafbar, wenn eine unübersichtliche Masse beleidigt wird („alle Polizisten dieser Welt“). Ein einzelner Polizist müsse sich nicht zwangsläufig durch den Slogan angegriffen fühlen, auch wenn das Wort „Bastard“ zweifellos ehrverletzend sei. Von der Formulierung her beziehe sich die Wendung auf „alle Polizisten” und so folgte das Gericht der damaligen Entscheidung aus Berlin im Wesentlichen.
In Regensburg wurde im Januar 2012 anders entschieden, allerdings vorerst vom Amtsgericht: Eine Person, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „CopACABana“ trug, wurde eineinhalb Stunden lang vernommen, auf eventuell rechtsradikale Tätowierungen untersucht und einer Alkoholkontrolle unterzogen. Finden konnten die Beamten nichts. Schließlich wurde das T-Shirt beschlagnahmt und die Person von den Polizisten wegen Beleidigung angezeigt. Das Amtsgericht Regensburg verurteilte den Angeklagten zu 15 Tagessätzen. Das T-Shirt bleibt als „Tatmittel“ in Gewahrsam der Justiz.
So weit einige einschlägige Urteile – es lohnt sich also, bei eigener Betroffenheit in eigener Sache darum zu streiten. Eine Unterstützung der Roten Hilfe e. V. dazu sollte es unserer Ansicht nach jedoch nicht geben. Nicht, dass wir den Berufsstand der Polizisten auf einmal anders betrachten und für nicht „beleidigungsfähig“ halten würden, oder wir fänden, es gäbe doch auch „nette“ Beamte unter ihnen. Sowohl die alltägliche Erfahrung der Polizeigewalt als auch die analytische Bewertung im Zusammenhang mit der Funktion von Polizei bei der Sicherung des Eigentums im Kapitalismus steht dem entgegen. Der politische Sinn davon, Polizeibeamte zu beschimpfen, sei mal hintangestellt und mag anderswo erörtert werden.
Das Problem ist ein „Schimpfwort“, das keines ist. Es sei denn, mensch ist glühende/-r Verfechter/-in der Eheschließung oder Rassist/-in. Für Faschisten und Faschistinnen also gar kein Problem. Merkwürdig nur, dass sich als links Verstehende ebenfalls kein Problem damit zu haben scheinen.
Problem? Warum?
Wörter werden zu Schimpfwörtern aus be–stimmten Gründen. Abgesehen davon wer wen wann wie bezeichnet, taugt nicht jedes Wort zum Schimpfwort. Schimpfwörter sollen das Gegenüber herabsetzen mit je nach Eskalationsstufe möglichst verletzenden Begriffen, wobei sich beide Seiten in der Bedeutung einig sein müssen – sonst funktioniert das nicht. Gerne werden als ekelig empfundene Tierchen dazu herangezogen. Hier geht es konkret um das Wort „Bastard“.
Bastard war ursprünglich die gar nicht abfällige Bezeichnung für ein uneheliches Kind, meist mit einerm/-r Partner/-in aus niedrigerem gesellschaftlichen Stand. Im Laufe der Zeit änderte sich die Bedeutung in Richtung eines ausschließlich deutlich abwertenden Begriffs und wurde wenn, dann als Beleidigung benutzt. Das hat einen Sinn, wenn ein Großbürger seinen Sohn nicht mit einer Proletarierin zusammen sehen will beziehungsweise das aus dieser Verbindung hervorgehende Kind nicht anerkennen will. Das hat Sinn, wenn Kirchenfürsten gegen die „Unmoral“ wet–tern. So what? Was soll das für ein Schimpfwort sein? Als Schimpfwort können das nur Knallhamster benutzen, die die „heilige Institution der Ehe“ richtig super finden, die etwas dagegen haben, dass uneheliche Kinder die gleichen Rechte haben (im Übrigen ja auch erst seit gar nicht so langer Zeit) wie „eheliche“, die überhaupt etwas gegen „außerehelichen Geschlechtsverkehr“ haben und so weiter. Was für ein Frauenbild damit verbunden ist, liegt auf der Hand.
Die Begriffe „Bastard“ und „Bastardisierung“ hielten auch Einzug in die Biologie, wo damit die unfruchtbaren Nachkommen von Eltern unterschiedlicher Ar–ten (Rassen) bezeichnet wurden. Wenn auch nutzbringende Tiere dabei entstanden, zum Beispiel Maultiere, so schwingt auch bei der angeblich objektiven Wissenschaft ein negativer Hauch mit. Ganz düster wurde das dann, seitdem Menschenkinder von Eltern unterschiedlicher Hautfarbe so bezeichnet wurden. Diese hätten nämlich kein „reines Blut“ und würden „die eigene Rasse degenerieren“ und was das Hirn der/-s Rassistin/-en sich noch so ausdenken konnte. Solche Kinder gab es in Deutschland zum Beispiel nach dem Ersten Weltkrieg einige: Soldaten aus den französischen Kolonien in Afrika, die bei der Besetzung des Rheinlands eingesetzt wurden, gingen Verbindungen mit einheimischen Frauen ein; die Kinder daraus wurden „Rheinlandbastarde“ genannt. Sowohl sie selbst als auch ihre Mütter waren mieser Diskriminierung ausgesetzt. Die Nationalsozialisten hatten sich mit ihrer „Rassentheorie“ dann ein Instrument gebastelt, nach der „Bastarde“ mindestens zwangssterilisiert, wenn nicht umgebracht wurden.
Personen oder Personengruppen als „Bastarde“ zu bezeichnen bedeutet also die gesellschaftliche Entwertung zu übernehmen, die aufgrund von Moralvorstellungen oder Rassismus Kinder bestimmter Eltern als minderwertig betrachtet. Wie kann das ein Wort sein, das im Wortschatz von Linken einen Platz hat? Wer diesen Begriff mit sich herumträgt, an Wände malt oder auf Demonstrationen ruft, der und die hat sich für zumindest diesen Zeitraum von allem linken, emanzipatorischen, antifaschistischen, antisexistischen, klassenkämpferischen Bewusstsein Urlaub genommen.
Die Rote Hilfe e.V. sollte sich nicht für zuständig für diesen Zustand erklären, sei der nun unter voller Kenntnis der Sache oder nicht („das habe ich doch nicht gewusst …“) eingetreten. Wir finden eine Unterstützung entsprechender Anträge aus genannten Gründen problematisch und wünschen uns eine Diskussion dieses Themas, nicht nur innerhalb der Roten Hilfe e.V.
Weitere Debattenbeiträge dazu gab es in der RHZ 4 2012, RHZ 2 2013; RHZ 3 2013 alle auf der Seite der Roten Hilfe zu finden