Film im Kino Im Sprengel Do., 20.03., 20.30 Uhr
Klaus-Müller-Kilian-Weg 1
Regie und Buch Marleen Gorris, Darstellerinnen u.a. Cox Habbema, Edda Barends, Nelly Frijda, Henriëtte Tol, u.a.
Niederlande, 1982, 97 Minuten, Originaltitel: DE STILTE ROND CHRISTINE M.,

Lauter ganz normale Frauen
„Dieser Film zählt auch noch heute zu den wichtigsten und konsequentesten Klassikern des feministischen Filmes“, so eine Rezension.
„… das Spielfilmdebüt der niederländischen Regisseurin Marleen Gorris aus dem Jahr 1982, zeigt, dass Nicht-Sprechen nicht nur passive Unfähigkeit bedeutet: Die Verweigerung zu sprechen kann auch ein subversiver Akt sein, indem sich der Vorrangstellung der Rede widersetzt wird. … Wenn Schweigen zur Selbstermächtigung wird, muss durch Reden Macht ausgeübt worden sein. … Still zu bleiben heißt hier nicht stumm zu sein und verweist nicht darauf, nichts zu sagen zu haben. Schweigen ergibt sich als Mittel dämliche Redner zu entlarven, Zustimmung zu verweigern oder Solidarität zu bekunden.“ ist aus: ZU WORT KOMMEN LASSEN – Ein Rückblick auf die ersten Frankfurter Frauen Film Tage 2018
Eine Frau wird in einer Boutique beim Ladendiebstahl erwischt. Zwei ihr unbekannte Frauen solidarisieren sich mit ihr. Spontan prügeln sie auf den Besitzer des Ladens ein und töten ihn. Während des Gerichtsprozesses soll eine Psychologin ein Gutachten über den Geisteszustand dreier Frauen erstellen. Die völlig verschiedenen und einander unbekannten Frauen geben die Tat ohne Gewissensbisse zu, schweigen sich jedoch über das Motiv aus. Doch die Psychologin beginnt auch ihre eigenen Beziehungen zu Männern zu überdenken.
Der Film endet mit lautem Lachen der Täterinnen und der Psychologin im Gerichtssaal. Diese Frauen unterwerfen sich nicht mehr – das Lachen der Frauen entwaffnet die soziale Ordnung.

Annette Förster schrieb 2019 über den Film: „Gorris verblüffte Freunde und Feinde des Feminismus mit ihrem Spielfilmdebüt DE STILTE ROND CHRISTINE M.
1982 herrschte Konsens darüber, dass feministisches Filmemachen sich hauptsächlich auf Dokumentarfilme für spezielle Interessengruppen oder avantgardistische Spielfilme bezog, die die Perspektive der Frau untersuchten.
A QUESTION OF SILENCE, wie der englische Veröffentlichungstitel lautet, erweiterte die Kategorien: Es verpackte sein feministisches Thema in einen relativ konventionellen, aber sehr überzeugenden realistischen Stil.“ …
„Der Film kam am 18. Februar in die Kinos, aber noch im März und April 1982 erschienen Artikel, die über die Debatte berichteten. Gorris selbst antwortete entschieden und freundlich auf die sich wiederholenden Fragen und verteidigte ihre Entscheidungen zur Dramaturgie sowie ihre feministische Haltung. Sie hatte sich strikt für die Perspektive der Frauen entschieden, weil sie wollte, dass sich Frauen und Männer mit dem Leben der Frauen auseinandersetzten; die Männer wurden nicht negativ dargestellt, sondern als realistische Charaktere in einer von Männern dominierten Gesellschaft.“ …
„Oft wurde berichtet, dass die Frauen im Zuschauerraum mit den Frauen im Film lachten, und dass einige Männer das nicht verstanden oder sich beleidigt fühlten. Immer wieder wurde nach den (individuellen) Motiven der drei Frauen gefragt, den Ladenbesitzer zu töten, was Gorris, wie in ihrem Film, nicht explizit machen wollte. Viele Zuschauer (männlich und weiblich) empfanden diese Weigerung als provokativ und beängstigend, was die Richtigkeit von Gorris’ Argument unterstrich:
Wenn Frauen gegen die herrschende Ordnung rebellieren, werden sie schnell als verrückt oder unheimlich abgestempelt.
Die Psychiaterin und die anderen Frauen erklären die drei Frauen für vollkommen geistig gesund und geistig zurechnungsfähig, um ein solches Urteil zu untergraben.“ …
„Darüber hinaus regte der Film feministische Wissenschaftlerinnen dazu an, die komplexen Beziehungen zwischen Filmtheorie und -praxis kritisch zu reflektieren. Wie ein Bericht dokumentiert, erforderte der Film ein Umdenken in den Vertriebs- und Veröffentlichungs-strategien.“ …
Der Film „De Stilte Rond Christine M.“ wurde 1982 in den Niederlanden zum besten Film des Jahres gewählt.
Marleen Gorris arbeitete daraufhin weiter als Regisseurin. Ihren größten Erfolg erlebte sie 1996, als ihr Film „Antonias Welt“ mit dem Oscar in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet wurde. Damit gewann Marleen Gorris als erste Frau überhaupt den Oscar für den besten nichtenglischsprachigen Film.
