Die Polizei Hannover und die NPD: Rosen auf den Weg gestreut

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 Rosen auf den Weg gestreut *1    

In Hannover sind am Samstag, 23.11, ca. 8.500 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Demonstration der NPD zu protestieren.
 

Was mit NPD

Die Faschisten der NPD trafen sich, fast genau 55 Jahre nach der Gründung in Hannover im Jahr 1964, ausgerechnet auf dem Dietrich-Kittner Platz *2

Offiziell sollte es gegen die „Zwangsgebühren der GEZ“ gehen. Klar war aber: das eigentliche Ziel war die Bedrohung von Journalist_innen, die gegen Rechts Stellung beziehen, unter anderem von Julian Feldmann. 2018 war dieser Teil eines Panorama-Teams, das einen SS-Scharführer ausfindig machen und interviewen konnte. Die Eingangsfrage: „Bereuen Sie das alles?“ beantwortete Karl Münter mit „Nein, gar nicht.“ Dieses Interview hatte die faschistische Szene außerordentlich verärgert.

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Was mit bunt

Ein breites Bündnis hatte zu Protesten aufgerufen, auch der niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) durfte eine Rede halten. So war von dieser Kundgebung nicht viel mehr zu hören als: Wir sind bunt statt braun und wir sind mehr. Es war nämlich auch der Pistorius, der zum niedersächsischen Polizeigesetz sagte: „Das Gesetz ist eine vernünftige, angemessene und notwendige Modernisierung unseres Polizeirechts. Wir brauchen eine ausgewogene rechtliche Grundlage für unsere Sicherheitsbehörden, um uns adäquat vor Gefahren schützen zu können.” Dieser Tage (Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN – BdA*3 ) und auch zum Anlass des Aufmarsches der Faschisten wird deutlich, was denn so eine Gefahr wäre: Die Faschisten sind es offensichtlich nicht – Ihr Aufzug, mit dem Journalist_innnen bedroht wurden und auf dem Kriegsverbrechern gehuldigt wurde, wurde von der Polizei geschützt, nicht nur vor einer Berichterstattung durch Journaliste_innen (s.u.), sondern auch vor Ver- und Behinderungen ihres Aufzuges. Die Polizei war mit einem massiven Aufgebot vor Ort; mit mehreren Wasserwerfern, einem Hubschrauber und Booten sicherten sie den Aufmarsch der Faschisten. Es gab mehrere Versuche den Aufzug der ca. 120 Faschisten zu verhindern und es gelang immer wieder kleinen Gruppen von Aktivist_innen kurzzeitig auf die Route der NPD zu kommen. Das erste Mal mussten die Faschisten schon nach wenigen Metern stoppen. Andere Versuche auf die Straße zu kommen, wurden von der Polizei mit Schlagstock und Pfefferspray verhindert. Insgesamt scheint es vier Ingewahrsamnahmen gegeben zu haben.

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Was mit Journalismus

Journalist_innen, die den Aufmarsch begleiteten um darüber zu berichten, wurden von den Faschisten bedrängt und auch geschlagen, (der Anmelder der NPD-Demo …, Carsten Dicty, ruft: „Sehen Sie zu das die Presse hier verschwindet!“. Darauf werde ich angerempelt, geschubst, die Kamera wird weggedrückt…) die anwesenden Polizist_innen kümmerte das in der Regel nicht (laut Twitter ein Polizei Pressesprecher: selberschuld man soll abstandhalten …). Darüber hinaus schubst auch die Polizei selbst anwesende Journalist_innen und drängt sie zur Seite.  Laut Taz sagte die Rechtsextremismusexpertin und Journalistin Andrea Röpke: „Es ist wie so oft, die Polizei behindert unsere Arbeit, wir werden abgedrängt, können nicht fotografieren, sie sehen uns als Störer“. Ganz im Gegenteil zu den Faschisten, wie das Folgende zeigt.

Was mit Vermummung

In der Regel, so kennen das die Meisten, die ab und zu mal auf eine Demonstration gehen, in der Regel gilt das Vermummungsverbot – nach § 17a Abs. 2 Versammlungsgesetz. Handelt es sich um eine Demonstration, die auch nur ansatzweise links verortet ist, setzt die Polizei dieses Vermummungsverbot in der Regel auch gnadenlos durch. Wer eine Bommelmütze und Schal trägt, gilt als „vermummt“.

Das soll der Polizei die Verfolgung von Straftaten erleichtern. Straftaten, die wohlgemerkt noch gar nicht begangen worden sind sondern die ausschließlich der Einschätzung der Behörden nach vielleicht unter Umständen begangen werden könnten…

Die Polizei macht nämlich auf Demonstrationen oder Kundgebungen Fotos und Videos von Personen, von denen sie findet, es ginge offenbar eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von ihnen aus. Wenn die potentiellen Straftäter aber vermummt sind und Kapuzen oder Masken tragen, wird die Identifizierung damit erheblich erschwert oder sogar unmöglich gemacht. Es gab Vorkommnisse, da wurden Leute aus einer Demonstration gezogen, weil bei Minusgraden den Schal zu weit an der Nasenspitze saß. Es gab sogar Verurteilungen… Antifaschist_innen müssen erkennbar sein! So weit also, wenns um Linke geht.

Was mit Vermummung und Faschisten

Beim Aufzug der Faschisten in Hannover vermummten sich einige der Teilnehmenden. Das ließ die Polizei ohne Weiteres geschehen (so wie das Zeigen von faschistischem Gruß u.Ä. nicht geahndet wurde).

Die Polizei war so freundlich das auch zu erklären, via Twitter: „Unsere Kollegen haben mit den vermummten Personen gesprochen, demnach diente die Vermummung nicht zur Verhinderung der Identitätsfeststellung.“ Und auf Nachfrage weiter: „Die Teilnehmer gaben an, dass sie nicht auf Bildern der Medienvertreter erkennbar sein wollten“.

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Sie berufen sich dabei auf den §9 des Niedersächsisches Versammlungsgesetz (NVersG):

In diesem steht, dass es verboten ist, „an einer Versammlung in einer Aufmachung teilzunehmen, die zur Verhinderung der Feststellung der Identität geeignet und bestimmt ist, oder den Weg zu einer Versammlung in einer solchen Aufmachung zurückzulegen“.

Aber: „(3) Die zuständige Behörde befreit von den Verboten nach den Absätzen 1 und 2, wenn dadurch die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht unmittelbar gefährdet wird.“

Genau diese Ordnung sah die Polizei laut ihrem Tweet nicht gestört.

Was mit Polizei

Aus der Stellungnahme der Polizeidirektion Hannover gegenüber news38.de:

„Als sich die Versammlung der NPD auf dem Altenbeekener Damm befand, wurden in dieser Versammlung wenige Personen festgestellt, welche die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf gezogen hatten, Sonnenbrille trugen und z.T. dazu noch einen Schal oder ein Halstuch bis über den Mund hochzogen. In einem Fall wurde eine augenscheinlich weibliche Person festgestellt, welche zudem eine sogenannte „Sturmhaube“ trug.“ … … …

„Daraufhin haben die die Versammlung begleitenden Polizeibeamten/-innen die vermummten Versammlungsteilnehmenden auf den Grund deren Vermummung angesprochen. Sie erwiderten, dass diese ausschließlich dem Schutz der Identität vor ungewollter Veröffentlichung von Portraitaufnahmen durch die die Versammlung begleitenden Pressevertreter dient. … … …

„Diese Vorschrift (*4) räumt der Polizei während einer Versammlung kein Ermessen ein. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit) haben die Versammlungsteilnehmenden vielmehr einen Anspruch auf Befreiung vom Vermummungsverbot.“ … … …

„Das alleinige Anlegen von Vermummung durch Versammlungsteilnehmende ohne das Hinzutreten weiterer verhaltensbezogener Feststellungen stellt keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar.“ … … …

„Weitere äußere Umstände, wie ein generell einschüchterndes Verhalten der Versammlung in Gänze oder etwa bevorstehende polizeiliche strafprozessuale oder versammlungsrechtliche Maßnahmen traten nicht hinzu.“ … … …

 

Damit findet sich die Polizei insoweit durchaus im Einklang mit dem wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Dort heißt es:

3.1. Eine Aufmachung, die geeignet ist, die Identitätsfeststellung zu verhindern, kann grundsätzlich in unterschiedlichsten Formen der Verhüllung oder Veränderung des Gesichts bestehen. Genannt werden unter anderem Schals, Kapuzen, Mützen, Sonnenbrillen, Sturmhauben, Helme mit geschlossenem Visier, Pappnasen, Perücken, Masken und Schminke. Ab wann das Verdecken von Teilen des Gesichts oder auch nur des übrigen Körpers als identitäsverschleiernd gelten kann, ist umstritten.11 Kein Verstoß gegen das Vermummungsverbot soll vorliegen, wenn ein Versammlungsteilnehmer sein Gesicht hinter einem Transparentverbirgt.12 Eine Identitätsverschleierung soll auch dann von vornherein ausscheiden, wenn die Identität eines Teilnehmers der Polizei oder der Versammlungsbehörde bereits bekannt ist.13

3.3. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Identität eines Versammlungsteilnehmers haben nur die Polizei und die Versammlungsbehörde.16 Daher verstößt nicht gegen das Verbot, wer sich vermummt, um von Dritten nicht erkannt zu werden. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn sich ein Teilnehmer vor gewaltbereiten politischen Gegnern schützen will, insbesondere wenn diese Versammlungsteilnehmer fotografieren.17 Auch die Identitätsverschleierung zum Schutz vorausländischen Nachrichtendiensten wird genannt, wenn ein Versammlungsteilnehmer eigene Verfolgung oder Repressalien gegenüber Familienangehörigen fürchtet.

Fazit

Alle Möglichkeiten, die sich bieten, werden von den Behörden in der Regel genutzt, wenn es darum geht, Faschisten und sonstigen Rechten Raum zu geben um sich darzustellen, sich zu bewegen, ihre Propaganda und Hetze zu verbreiten.

Alle Möglichkeiten, die sich bieten, werden von den Behörden in der Regel genutzt, wenn es darum geht, Linken ihren Bewegungsspielraum zu nehmen, wenn sie sich gegen Faschisten zur Wehr setzen, die Unordnung der aktuellen Situation kritisieren -z.B. das Privateigentum an Wohnraum- oder für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung werben.

 

Anmerkungen

*1  Ein Gedicht von Kurt Tucholski hier      oder moderner hier 

 

Rosen auf den Weg gestreut

Ihr müßt sie lieb und nett behandeln,

erschreckt sie nicht – sie sind so zart!

Ihr müßt mit Palmen sie umwandeln,

getreulich ihrer Eigenart!

Pfeift euerm Hunde, wenn er kläfft –:

Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!

 

Wenn sie in ihren Sälen hetzen,

sagt: »Ja und Amen – aber gern!

Hier habt ihr mich – schlagt mich in Fetzen!«

Und prügeln sie, so lobt den Herrn.

Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft!

Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft.

… … …

Theobald Tiger

Die Weltbühne, 31.03.1931, Nr. 13, S. 452.

 

*2 Der im Februar 2013 verstorbene Kabarettist Dietrich KittnerDietrich Kittner kit

hatte auch für die Rote Hilfe Hannover gespielt. Er lebte lange Zeit in Hannover und trat neben seinen Tourneen in seiner festen Spielstätte auf, dem TAK. Er war entschiedener Antifaschist und beständiger Kritiker bundesdeutscher Verhältnisse: “Dieser Tage hat eine gewisse Frau Merkel geäußert: “Wir wollen der Globalisierung ein menschliches Gesicht geben.” Das ist neu: Humaner Imperialismus also. Fast so schön wie ein demokratischer Faschismus. Oder wie trockenes Wasser.” …”Es war einmal ein Mann, der durch Fleiß und seiner Hände Arbeit ein reicher Bürger wurde. Und morgen erzähle ich euch ein anderes Märchen…”

Das Lied von zweierlei Gewissen passt gut zum Anlass

 

*3 Hinein also in die VVN-BdA!
 

*4 Abs 3 NVersG