“Ich befürworte die Selbstbestimmung meines Volkes und aller Unterdrückten in den Vereinigten Staaten. Ich befürworte ein Ende der kapitalistischen Ausbeutung, die Abschaffung rassistischer Politik, die Ausrottung des Sexismus und die Beseitigung politischer Repression. Wenn das ein Verbrechen ist, dann bin ich voll und ganz schuldig.” Assata Shakur
https://www.democracynow.org/2025/9/29/death_legacy_assata_shakur
„Die US-Regierung konnte trotz jahrzehntelanger Verfolgung nie die Genugtuung erlangen, sie in einen Käfig zu sperren. Sie wollten sie fesseln, brechen und als Exempel vorführen, doch stattdessen entzog sie sich ihrem Griff und verbrachte ihr Leben im Exil, umgeben von Menschen, die ihren Kampf und ihr Überleben ehrten“ und „Ihr Tod ist kein Abschluss. Er ist ein Aufruf. Ein Aufruf, ein freieres Leben zu führen. Sich gegen jede Form der Gefangenschaft zu wehren. Das Feuer der Ablehnung am Leben zu erhalten.“ Stacey Patton, Professorin an der Howard University
Assata Olugbala Shakur starb am 25. September in Havanna, Cuba, wo sie die letzten vier Jahrzehnte ihres Lebens im Exil verbracht hatte. Sie wurde 78 Jahre alt.
Wir wissen uns einig mit vielen Menschen weltweit in der Trauer um Assata.
Wir danken den mutigen Menschen in Cuba für die Aufnahme der Verfolgten und wie sie dem US System entgegentreten –zwei Millionen Dollar waren zum Schluss vom FBI unter Obama auf ihren Kopf ausgesetzt. Sie war die erste Frau, die auf die Liste der meistgesuchten Frauen gesetzt wurde. Auch der aktuelle Präsident hat seit seiner ersten Amtszeit vergeblich ihre sofortige Auslieferung von Kuba gefordert.
Assatas Leben ist geprägt von Rassismus, Kapitalismus und dem Patriarchat, aber gleichzeitig ist es eine Geschichte von Stärke, Stolz und Solidarität.

Assata wurde als JoAnne Deborah Byron geboren, der Nachname Chesimard, den sie von ihrem kurzzeitigen Ehemann übernommen hatte, verweist auf den Sklavenhalter seiner Vorfahren. Als neuen Namen wählte sie einen, den – und der – sie mit ihrem Kampf verband: Assata bedeutet „die Kämpfende“, Shakur „die Dankbare“ und ihr zweiter Vorname Olugbala bedeutet „für das Volk“. Diese Namen wählte sie 1971 aus afrikanischen und arabischen Sprachen.

Ich selbst begegnete ihr über die Biographie, die Anfang der 1990er von Agipa Press herausgegeben worden war, wie auch das Buch „Comrad George & Attica“ und später die Biographie von Malcolm X. Zu der Zeit ließ ich mich mitreißen für die Freiheit von Mumia Abu Jamal einzutreten. Für mich war das folgerichtig. In der Clique von Jungarbeiterinnen und Lehrlingen, in der ich politisches Bewusstsein lernte und übte, das war in den frühen 1970ern, hörten wir die „We Insist! Freedom Now Suite“ von Max Roach und der Sängerin Abbey Lincoln, „Strange Fruit“ von Billie Holliday, “Alabama” von John Coltrane, den “Attica Blues” von Archie Shepp, „Bitches Brew“ oder die „Jack Johnson Sessions“ von Miles Davis. Wir fühlten uns verbunden mit den Kämpfen um Befreiung, um ein Leben in Würde und Selbstbestimmung. Wir lasen Franz Fanon und Aimé Césaire, Angela Davis, Toni Morrison und Eldridge Cleaver. Wir hingen ab mit schwarzen GIs und migrantischen Arbeiter_innen. Wir lernten voneinander.
Die Autobiographie öffnete mir trotzdem noch einmal ein neues Fenster, denn Assata gelang es nicht nur politisch, sondern auch sehr persönlich ihre Geschichte zu erzählen.
Die Erzählung beginnt im Krankenhaus, wo sie schwer verletzt nach jener Schießerei lag, die zur Mordanklage führte. Aus einem späteren Interview: „Um es kurz zu machen: Ich wurde 1973 in New Jersey gefangen genommen, nachdem man mich mit erhobenen Armen und dann noch einmal von hinten angeschossen hatte. Man ließ mich auf dem Boden liegen, um zu sterben. Als ich nicht starb, brachte man mich in ein örtliches Krankenhaus, wo man mich bedrohte, schlug und folterte. 1977 wurde ich in einem Prozess verurteilt, der nur als legaler Lynchmord bezeichnet werden kann.“
Von da ab wechseln sich die Erinnerungen ab von ihrer Zeit im Gefängnis und vom Leben davor. Sie beschreibt ihre Entwicklung, von der Struktur des rassistischen Alltags während ihrer Kindheit im Süden. Sie beschreibt die subtileren Formen rassistischer Gewalt in allen Lebensbereichen im New York der 1960er Jahre bis zur Mitarbeit bei der Black Panther Party for Self Defense. Sie beschreibt die Entscheidungen, die sie Anfang der 1970er schließlich in die Illegalität der Black Liberation Army führten. Sie vertritt dabei die Perspektive von Frauen im revolutionären Kampf, lehnt den Machismo der Black-Power-Bewegung ebenso ab wie den Reformismus und Rassismus der feministischen Bewegung. Ihre Geschichte beschreibt, wie erschreckend alltäglich die Gewalt von Polizei, Justiz und Erziehungssystem gegenüber der Black Community war. Wir erleben heute, wie das überall auf der Welt auch immer noch ist.

Nach ihrer Festnahme auf dem Highway wurde Assata angeklagt – für mehrere Morde und Banküberfälle, doch alle diese Verfahren wurden entweder eingestellt oder endeten mit einem Freispruch. Wegen des angeblichen Mordes auf dem Highway gelang es, sie mit einer rein weißen Jury schließlich zu einer lebenslangen Haftstrafe plus 33 Jahren zu verurteilen. Der Prozess war geprägt von gefälschten und unterschlagenen Beweisen, von Voreingenommenheit der Geschworenen, von lügenden Zeugen und manipulierenden Staatsanwälten. Es war alles so, wie wir es vom Prozess gegen Mumia Abu Jamal kennen, vom Prozess gegen Leonard Peltier, und gegen so viele andere Aktivist_innen für ein gerechteres Leben in den USA.
In den Medien wurde sie zur „meistgesuchten Frau“ erklärt. Schlagzeile um Schlagzeile brandmarkten sie als „Polizistenmörderin“ und „schwarze Militante“. Ein Ausschnitt aus der Las Vegas Sun berichtete, wie sie ungerührt dastand, als die Jury sie in acht Anklagepunkten für schuldig befand, und wie sie ihnen dann erklärte: „Ich schäme mich. Von Anfang an haben Sie gezeigt, dass Sie Rassisten sind. Ich schäme mich, dass ich jemals an diesem Prozess teilgenommen habe. Sie sollten sich schämen.“
Diese Worte zeigten ihren Eigensinn wie ihre Voraussicht. Sie wusste, dass es bei dem Käfig, in den sie sie gesteckt hatten, nicht um Schuld oder Unschuld ging, sondern darum, eine schwarze Frau zum Schweigen zu bringen, die es gewagt hatte, Widerstand zu leisten.
Assata beschreibt dann, wie sie jahrelang teilweise in Männergefängnissen in Isolationshaft gehalten wurde, wo sie überwacht wurde bis in die intimsten Tätigkeiten. Sie schreibt von Misshandlungen seitens der Bewacher und der Ärzte. Sie erzählt von den psychischen Übergriffen von Nötigung und Quälerei. Ihr wird angemessene anwaltliche Beratung verweigert, ihre Gesundheit wird bewusst aufs Spiel gesetzt durch Verweigerung von Versorgung auch während der Schwangerschaft. Bei alledem hat sie immer auch ihre Mithäftlinge im Blick, wenn sie von den katastrophalen hygienischen Bedingungen schreibt, von den dreckigen Zellen, und über Schwarze Mithäftlinge, die wegen einer Packung geklauter Windeln monatelang eingesperrt wurden. Wir können davon ausgehen, dass sich nichts davon in diesem Gefängnis – industriellen Komplex (Mike Davis) verbessert hat.
„1979 wurde ich aus Angst, im Gefängnis ermordet zu werden, und in dem Wissen, dass mir niemals Gerechtigkeit widerfahren würde, mit der Hilfe engagierter Kameraden aus dem Gefängnis entlassen, die das Ausmaß der Ungerechtigkeiten in meinem Fall verstanden und ebenfalls große Angst um mein Leben hatten“, schrieb sie. Genoss_innen der Black Panther Association befreiten sie aus dem Gefängnis. Trotz intensiver-Fahndungen des FBI, hoher Kopfgelder und zahlreicher Razzien konnte sie entkommen. Erst 1984 tauchte sie in Kuba wieder auf, wo Präsident Fidel Castro ihr politisches Asyl gewährte.

So widerstand Assata Shakur diesem monströsen System der rassistisch motivierten Masseninhaftierung in den USA, in dem Millionen Afroamerikaner_innen eingesperrt sind und moderne Form von Sklavenarbeit verrichten müssen.
Wer sich mit dem Buch beschäftigen möchte, der sei noch ans Herz gelegt, etwas zu den Hintergründen der Verfolgung der schwarzen und der linken Bewegung zu lesen, was in Assatas Erzählungen nur angeschnitten wird: das Programm Cointelpro, (z.B.: Agents of repression: the FBI’s secret wars against the Black Panther Party and the American Indian Movement, von Ward Churchill und Jim Vander Wall oder Redaktionskollektiv „Right On“ (Hrsg.): Black Power. Interviews … Zur Geschichte der Black Panther Party und der Black Liberation Army. Edition ID-Archiv)
Mehr als vier Jahrzehnte lang lebte Assata außerhalb der Reichweite des weißen Amerikas, unterrichtete, schrieb, war Mutter, liebte und atmete unter kubanischem Himmel. Ihr Asyl in Kuba stellte sie in eine größere Tradition des schwarzen Internationalismus. Sie war nicht einfach nur eine radikale US-Amerikanerin auf der Flucht, sondern wurde Teil eines globalen Kampfes gegen Kolonialismus und Imperialismus. Unter kubanischem Himmel zu leben bedeutete, ihre Geschichte mit derjenigen der afrikanischen Befreiungsbewegungen und des antikolonialen Widerstands in der Karibik zu verflechten. Sie war, wie zahlreiche Artikel sie beschrieben, eine „politische Exilantin”, die ihren Status als Flüchtling in einen Zufluchtsort verwandelte.

Während ihres Exils erlangten ihre Schriften, darunter ihre Autobiografie von 1987, ein breites Publikum und machten ihre Geschichte und Stimme jüngeren Aktivisten zugänglich und inspirierte auch die Jugend der Black-Lives-Matter-Generation. Ein Versprechen aus ihrer Autobiografie wurde von der Bewegung übernommen. Weltweit erklärten Aktivist_innen bei Protesten, Märschen und Demonstrationen: „Es ist unsere Pflicht, für unsere Freiheit zu kämpfen. Es ist unsere Pflicht zu gewinnen. Wir müssen einander lieben und unterstützen. Wir haben nichts zu verlieren außer unseren Ketten.“
So lebt sie in unserer Kultur der Widerstandsfähigkeit weiter, sie inspirierte Schriftstellerinnen wie Audre Lorde, Angela Davis und Donna Murch und hatte auch einigen Einfluss auf die Welt der Musik und des Hip-Hop und inspirierte unter anderem Songs von Public Enemy und Common. Sie war Patin von Tupac Shakur, dessen Mutter ebenfalls Mitglied der Black Panthers Party war, und der es als Begründer des Thug Life, einer Mischung von Gangster und politischen Aktivismus, gilt.
Und sie inspirierte mich denn sie zeigte, dass es nicht in Frage kam aufzugeben und dass es immer eine Möglichkeit gibt zu widerstehen. Sie zeigte, wie wir voneinander lernen können. „Sich gegen jede Form der Gefangenschaft zu wehren. Das Feuer der Ablehnung am Leben zu erhalten.“
Sie starb so, wie sie seit ihrer Flucht gelebt hatte: ungebrochen, ungeschlagen, widerständig. Die Genugtuung, nach der die weißen Suprematisten sich gesehnt hatten – das Fahndungsfoto in Ketten, die Leiche in einer Zelle – bekamen sie nie.
Assata starb in Freiheit!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
„Ich glaube an die Geburt. Ich glaube an den Schweiß der Liebe und an das Feuer der Wahrheit. Und ich glaube, dass ein verlorenes Schiff, gesteuert von müden, seekrankem Matrosen, immer noch in den Hafen zurückgeführt werden kann.“ Assata Shakur
Gastbeitrag eines Mitglieds der Roten Hilfe e.V. Hannover