Veröffentlich am 16.02.2025 von der Ortsgruppe Berlin der Roten Hilfe e.V.
Wir veröffentlichen hier einen Beitrag, welchen Andreas Krebs verfasst hat. In diesem wird erneut die gefährliche und auch teilweise tödliche Schnittmenge von Knast und Rassismus deutlich.

Krebs Andreas
Seidelstraße 39
13507 Berlin
Berlin, den 08. Februar 2025
AKTUELLE MIGRATIONSPOLITIK UNSERER BUNDESREGIERUNG: AUSLÄNDERBEHÖRDEN VERBREITEN ANGST UND PANIK IN DEN JUSTIZVOLLZUGSANSTALTEN
Fast täglich wenden sich Inhaftierte an mich, die einen Migrationshintergrund haben und komplett aus der Bahn geworfen sind, weil sie Schreiben von der für sie jeweiligen zuständigen Ausländerbehörde und Staatsanwaltschaft bekamen, die nicht zu Unrecht Angst und Panik verbreiten. Durch die ganzen Hetzkampagnen in den Medien hauptsächlich gegen ausländische Mitbürger, wie etwa der Terrorakt im Magdeburg, oder aktuell in Aschaffenburg, werden nun alle ausländischen Bürger und auch diejenigen die in der Bundesrepublik Deutschland geboren sind, auf eine Stufe gestellt und sollen nun das Land schnellstmöglich verlassen.
Ich habe mit meinen eigenen Augen mehr als zehn Benachrichtigungen und Bescheide gelesen und war entsetzt, mit welchen Begründungen diese Menschen nun das Land verlassen sollen.
Bei jedem, der einen solchen Bescheid bekommen hat, stand: „Da sie mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, wird beabsichtigt, sie aus der Bundesrepublik Deutschland auszuweisen bzw. abzuschieben.“ Ich erinnere mich an den Fall, als vor Monaten 28 Menschen aus Afghanistan zurück in ihr Heimatland abgeschoben wurden und zur Besänftigung und vielleicht um ihr eigenes Gewissen zu erleichtern, jeder 2000 Euro Handgeld bekam. Das in Afghanistan die Taliban herrscht, spielte hier keine Rolle.
Mein Letzter Fall, wo sich ein Inhaftierter an mich gewendet hat, ist Hussein. Er kam zu mir und ist total durch den Wind gewesen. Er ist 32 Jahre Jung, in Deutschland geboren, seine ganze Familie ist hier, er besuchte die Schule mit Abschluss, machte eine Ausbildung, aber hat keinen richtigen Ausweis und bei ihm ist vermerkt: „Staatenlos“. Er ist das erste Mal in Haft und sitzt wegen Beschaffungskriminalität, da er stark drogenabhängig gewesen ist. Um sich diese finanziell leisten zu können begann er Straftaten.
Seine Führung innerhalb der Haft ist vorbildlich, und dass kann ich deswegen behaupten, da ich auch seinen Vollzugsplan gelesen habe. Er geht einer Therapie nach und auch sonst ist er auf dem richtigen Weg. Aber er hat Angst, denn er sagte: Andi, ich kann weder die Sprache, noch habe ich irgend jemanden im Libanon. Einen Anwalt kann er sich nicht so recht leisten, nur für das Nötigste und somit schreibe ich für ihn an die Ausländerbehörde und versuche zu argumentieren.
Das ist jetzt nur ein FAll von vielen und ich stehe der Situation hilflos gegenüber, weil ich einfach viel mehr für diese Menschen machen möchte. In jedem Schreiben steht hauptsächlich: „Da sie strafrechtlich mehrfach in Erscheinung getreten sind.“
Der Staat will um jeden Preis diese Menschen aus Deutschland raus haben. Erst vor ca. einen halben Jahr hat sich ein Mensch, wegen drohender Abschiebung, in der JVA Moabit das Leben genommen und darüber wurde nur ganz kurz in den Medien berichtet.
Ich kann es nachvollziehen, dass Menschen draußen Angst vor Anschlägen und Übergriffen haben. Aber nicht alle sind schlecht und ich habe in den letzten Wochen in den Medien beobachten können, dass sobald ein nicht Deutscher eine schwere Tat begeht, dies sofort auf Seite eins der Presse ist. Wenn ein Deutscher eine schwere Straftat begeht, erscheint es hingegen auf Seite 5.
Eine regelrechte Hetzkampagne. Ein weiterer Inhaftierter hat eine deutsche Frau und ein Kind, ist schon sehr viele Jahre hier in Deutschland. Aber das alles hilft nichts, denn auch er soll die Bundesrepublik verlassen.
Nun gibt es aber auch Inhaftierte die abgeschoben werden mochte, aber diese Menschen bleiben weiter in Haft. Krass finde ich auch das Tun und Handeln der jeweiligen Staatsanwaltschaft. Ein Inhaftierter, für den ich einen Antrag auf Abschiebung stellte und der eine Haftstrafe von 15 Jahre hat, bekam eine Ablehnung. Er hat bereits Jahre von der Gesamtfreiheitsstrafe verbüßt und man lehnte den Antrag ab mit der Begründung, das es noch zu früh wäre, da der Gefangene in seinem Heimatland sofort auf freien Fuß kommen würde. Das heißt also, dass er erstmal seine Strafe angemessen hier in Deutschland verbüßen soll und dann können wir über eine Abschiebung weiterreden.
Mit all diesen Schreiben, mit denen Inhaftierte an mich heran treten bin ich einfach nur noch sprachlos und weiß nicht, wie ich diesen Menschen helfen kann! Ich hoffe, dass ich bald ein Fachbuch über Ausländerrecht bekomme, um vielleicht Menschen mehr helfen zu können. Natürlich sieht mich die Anstaltsleitung doof an, als ich die Genehmigung der Zusendung des Ausländerrechts beantragte und sich fragen, für was ich das denn möchte. Aber einige wissen, dass ich damit vielen Menschen versuche zu helfen. Auch wenn es vielleicht nichts bringt, wir haben es wenigstens versucht. Und bei zwei Menschen habe ich es schon erreicht, das sie nicht mehr hier sind. Als diese Menschen ihren positiven Bescheid bekamen, kamen sie sofort zu mir, bedankten sich und mich machte es ein klein wenig stolz. Die meisten Rechtsanwälte sind einfach überfordert und so bleiben viele Beschlüsse lange liegen.
Ich möchte Menschen draußen einfach nur veranschaulichen, was die Politiker mit unseren Mitbürgern veranstalten. Menschen die kein anderes Land als Deutschland kennen, für die Deutschland ihr Heimatland ist. Ich möchte auch nochmals an Hector erinnern. Er hätte am 15. Januar abgeschoben werden sollen und nun soll es doch einen anderen Termin in den nächsten Monaten geben. Dieser Mensch hat sehr große Angst. Allein schon wegen seiner Homosexualität, welche in seinem Heimatland bis 2023 strafrechtlich verfolgt wurde. Dieser Mensch benötigt weiterhin dringend EURE Hilfe, vielleicht in Form einer Demo, Schreiben an die Ausländerbehörde und Knast. Werdet einfach tätig, egal in was auch immer. Ich berichtete über ihn, was auf der Seite der ROTEN HILFE Berlin nachzulesen ist. Er würde sich auch sehr über Post freuen. Er hat auch intern sehr große Schwierigkeiten mit Stellen der Obrigkeit. Sein Ehemann wollte ihn am Montag besuchen, aber wegen einer lausigen Minute, wo dieser zu spät kam, bekam er keinen Besuch. Und das ist eines von vielen Vorfällen.
Ich habe euch allen nun einen kleinen Einblick gegeben, wie es den ausländischen Gefangenen ergeht und welch eine Hetzkampagne hier drinnen zu spüren ist.
Ich sende Euch allen die herzlichsten Grüße und bis bald
Euer Andreas
Hier findet ihr die Adresse von Hector , sowie den Artikel, welchen Andreas anspricht: