„Der helle Horizont“ heißt eine Lesung mit iranischer Musik, zu der wir Euch herzlich einladen möchten. Augenblicklich sind die Anliegen der aktuellen Bewegung im Iran in der medialen Berichterstattung etwas in den Hintergrund geraten. Thematisiert werden eher die Gegenschläge des Regimes – die Vergiftung von jungen Mädchen an Schulen beispielsweise oder verschärfte Gesetze gegen Frauen, um den Kopftuchzwang durchzusetzen. Die Bewegung, so der Eindruck, scheint eingeschüchtert, die revoltierenden Menschen „müde“.
Angesichts solcher Interpretationen halten wir es für wichtig, mit frischen Eindrücken und tieferen Einblicken in die Situation im Iran aufzuwarten – und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie wir die Bewegung von hier aus unterstützen können.
Entworfen haben die Lesung die beiden Schauspieler*innen Hanna Legatis und Martin Kunze im Auftrag von „Kargah“. Der Verein wurde vor über 40 Jahren von Exil-Iranerinnen und -Iranern gegründet und arbeitet heute international – für Geflüchtete und interkulturelle Kommunikation.
Die aktuelle Bewegung im Iran ist groß, stark, vereint gesellschaftliche Schichten und Generationen. Sie findet zum einen vor aller Augen auf Straßen und Plätzen statt und zum anderen längst auch in den Familien. Ihr Einfluss veränderte das private Zusammenleben von Frauen und Männern, von Töchtern und Vätern, von Schwestern und Brüdern. Acht Monate hält die Bewegung jetzt schon an. Nichts konnte sie stoppen. Nicht die Schüsse, nicht die Hinrichtungen, nicht die Verhaftungen. Im Gegenteil. In diesem Land mit den vielen Völkern und den vielen Kulturen wehren sich die Menschen nach wie vor gegen das Gewaltregime. Sie wollen keine Reformen, sie wollen ein anderes Leben.
Hanna Legatis und Martin Kunze öffnen mit ihrer Lesung nun ein Fenster zu denjenigen, die gerade nicht gehört werden, die nicht auf den Straßen dabei sein können, weil sie vom Regime aus der öffentlichen Wahrnehmung entfernt wurden: Frauen und Männer, die in iranischen Haftanstalten eingesperrt sind – als politische Gefangene. Über 20 000 wurden während der aktuellen Proteste verhaftet, tausende sind schon seit Jahren hinter Gittern.
In Portraits bringen die beiden Schauspieler*innen dem Publikum das Leben dieser Frauen und Männer näher und erzählen damit viel über die Geschichte des Iran, über den Kampf und die Hoffnung der Menschen in ihrem Land.
Um ihren Zuschauer*innen aber nicht nur die dunkle Seite des Iran vor Augen zu führen, sind Hanna Legatis und Martin Kunze in die iranische Literatur eingetaucht. Deren Reichtum ist groß – nicht umsonst wird der Iran schon immer als das „Land der Poesie“ bezeichnet. Bereits der Titel – Der helle Horizont – nimmt eine Hoffnung des berühmten iranischen Dichters Ahmad Shamlou auf. So ist die Lesung eine künstlerische Komposition geworden – aus Erzählungen, die schmerzen und Gedichten von intensiver Schönheit.
Die Akteur*innen
Hanna Legatis ist Schauspielerin. Sie lebt in Hannover und Berlin und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Rassismus, Holocaust und Postkolonialismus. Bei „Kargah“ und anderen Veranstaltern bietet sie dazu Workshops und Vorträge an. Viele Jahrzehnte war sie Journalistin, unter anderem Fernseh-Redakteurin beim NDR.
Martin-Gerhard Kunze ist ebenfalls Schauspieler. Nach Engagements an verschiedensten Schauspielhäusern in Deutschland arbeitete er viele Jahre als Fernsehjournalist beim Norddeutschen Rundfunk und leitete den Evangelischen Kirchenfunk – bis er wieder zum Theater ging. Er schrieb Stücke zu politischen Themen, zum Beispiel zu Überlebenden von Konzentrationslagern.
Aktuell spielen beide in den hannoverschen Kammerspielen und im KinderTheaterHaus Hannover. Außerdem treten sie gemeinsam mit Lesungen auf. Mit poetischen Lesungen und solchen, die gesellschaftspolitische Ereignisse zum Thema haben.