Solidarität mit Özgül, Serkan und İhsan

Özgül, Serkan und Ihsan sind in Heidelberg, Hamburg und Bochum festgenommen worden.

Im Auftrag der Bundesanwaltschaft wurde am Montag, den 16. Mai die Journalistin Özgül Emre in Mannheim verhaftet. Am Dienstagmorgen wurde die Wohnung des Antifaschisten Serkan Küpeli in Hamburg gestürmt und auch er wurde verhaftet. Am nächsten Tag wurde der Musiker İhsan Cibelik (Grup Yorum) in Bochum auf dem Heimweg nach einem Arztbesuch festgenommen.

Den drei Personen wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach dem berüchtigten § 129b vorgeworfen. Damit einhergehend wurden mehrere Wohnungen durchsucht. Darunter auch die von Deniz Yıldız aus Düsseldorf, der seit Jahren gegen den Entzug des Aufenthaltsrechtes kämpft.

Nachdem die Genoss_innen in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt wurden und gegen sie ein Haftbefehl erlassen wurde, befinden sie sich nun in Untersuchungshaft.

Wie aus den Angaben der Bundesanwaltschaft hervorgeht, werden die Betroffenen keiner „terroristischen Straftaten“ beschuldigt. So soll Özgül E. 2014 „federführend“ ein Konzert organisiert und ab 2017 als „Deutschland-Verantwortliche“ der DHKP-C die Beschaffung von Finanzmitteln und die Organisation von Veranstaltungen koordiniert haben. Bis Februar 2022 sollen Özgül E. und Ihsan C. an „Propagandaveranstaltungen mit Bezügen zur DHKP-C“ teilgenommen haben. Serkan K. soll seine „Kaderfunktion“ bereits 2017 aufgegeben haben.

Streit und Kampf Erich Mühsam, Juli 1920

Nicht nötig ist’s, nach Schritt und Takt

gehorsam vorwärts zu marschieren.

Doch wenn der Hahn der Flinte knackt,

dann miteinander zugepackt

und nicht den Nebenmann verlieren!

Schlagt zwanzig Freiheitstheorien

euch gegenseitig um die Ohren

und singt noch hundert Melodien –

doch gilt es, in den Kampf zu ziehn,

dann sei der gleiche Eid geschworen!

Aktionsprogramm, Parteistatut,

Richtlinien und Verhaltungslehren –

schöpft nur aus allen Quellen Mut!

Ein jedes Kampfsystem ist gut,

das nicht versagt an den Gewehren!

Darum solang kein Feind euch droht,

verschont einander nicht mit Glossen.

Doch weckt euch einst der Ruf der Not,

dann weht das einige Banner rot

voran den einigen Genossen!

Denn:

„An den Kerkertoren, vor den Käfiggittern unserer Gefangenen hat der Bruderzwist zu schweigen, da gilt es den revolutionären Kampf aller, die ihre Genossen unter den Justizopfern wissen, aller, die aller gefallenen Revolutionäre in Dankbarkeit gedenken. Einigung des revolutionären Proletariats zu diesem Kampfe, vorerst nur zu diesem – das bedeutet Rote Hilfe.“ Der Rote Helfer 4/1927, zit. nach Brauns, „Schafft Rote Hilfe!“, Bonn 2003, S. 75

Siehe auch:

Musiker als Terrorist verhaftet

https://www.jungewelt.de/artikel/426895.repression-musiker-als-terrorist-verhaftet.html

…  Am Mittwoch wurde der als politischer Flüchtling im deutschen Exil lebende Cibelik vor seiner Wohnung in Bochum aufgrund eines Haftbefehls der Bundesanwaltschaft unter Terrorismusanschuldigung festgenommen.

Die in Türkei auch bewaffnet kämpfende antiimperialistische Organisation mit marxistisch-leninistischem Selbstverständnis, deren Wurzeln bis zur Jugend- und Studentenrevolte von 1968 zurückreichen, ist bis heute in einigen Istanbuler Armenvierteln verankert. Ihre Vorgängerin Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) ist in Deutschland seit 1989 verboten, das Verbot fand auch auf die DHKP-C Anwendung. Mutmaßliche DHKP-C-Mitglieder wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, so der derzeit in Hamburg eine Strafe von sechs Jahren und neun Monaten absitzende Musa Asoglu.

Cibelik war Grup Yorum bereits kurz nach deren Gründung Mitte der 80er Jahre beigetreten und ist heute eines der ältesten Mitglieder dieser in verschiedenen Besetzungen auftretenden Formation, die über 20 Alben produziert hat. Seit 2016 ist es der Gruppe, die davor bei kostenlosen Volkskonzerten in Istanbul Hunderttausende Zuschauer versammeln konnte, nicht mehr erlaubt, in der Türkei aufzutreten.

Die Bundesanwaltschaft beschuldigt Cibelik, auf dessen Ergreifung das türkische Innenministerium ein Kopfgeld von 300.000 Türkischen Lira ausgesetzt hat, seit 2015 als »Regionalverantwortlicher« der DHKP-C in Süddeutschland für Finanzen, Mitgliederschulungen sowie die Durchführung von »Propagandaaktivitäten«, aber auch für die Beschaffung gefälschter Ausweispapiere und konspirativer Wohnungen zuständig gewesen zu sein. Bei der ebenfalls in Untersuchungshaft genommenen Özgül E. soll es sich laut GBA um die »Deutschlandverantwortliche« der DHKP-C handeln. Ihr wird unter anderem die Organisation eines Grup-Yorum-Konzertes im Juni 2014 in Oberhausen vorgeworfen. Serkan K. soll als verantwortlicher Kader der DHKP-C in Hamburg, Bremen und Berlin tätig gewesen sein.

Dass die Haftbefehle gerade zum jetzigen Zeitpunkt vollstreckt wurden, könnte mit außenpolitischen Erwägungen zusammenhängen. Ende letzter Woche hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein schärferes Vorgehen gegen Exilstrukturen der Arbeiterpartei Kurdistans PKK und der DHKP-C als Bedingung für die Zustimmung zum NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands benannt.

Çav Bella – wir nehmen Abschied von Helin Bölek

„Das Musiker_innenkollektiv Grup Yorum ist Jahren immer wieder Ziel staatlicher Repression. 2016 ging das Lied „Zerbrochene Instrumente“ Kırılan Enstrümanlar um die Welt. Die Musiker_innen spielten dabei nach einer Razzia in ihrem Übungsraum auf den Trümmern der von der Polizei zerstörten Instrumente. Kurz darauf wurden acht aus der Gruppe ins Gefängnis geworfen.

Das Idil Kulturzentrum im Viertel Okmeydanı in Istanbul (İdil Kültür Merkezi) ist in den letzten zwei Jahren mehr als zehn Mal mit Razzien überzogen worden. Instrumente wurden zerstört oder auch gestohlen, Bücher und Noten wurden zerrissen, etc. Insgesamt wurden über 30 Leute verhaftet, die von den Behörden in Zusammenhang mit dem Musikkollektiv gebracht wurden. Einige sind immer noch im Gefängnis.

Der Hungerstreik, der zu einem Todesfasten wurde, richtete sich gegen die Auftrittsverbote der Gruppe; die Streikenden fordern ein Ende der Polizeiüberfälle auf ihre Konzerte wie auf das Kulturzentrum, die Freilassung der inhaftierten Bandmitglieder Bahar Kurt, Barış Yüksel und Ali Aracı, die Beendigung willkürlicher Prozesse und die Annullierung von Fahndungslisten, auf denen weitere Bandmitglieder stehen. … … …“

Siehe auch den Artikel von Peter Nowak vom 22.07.2018 im Neuen Deutschland „Innenminister nehmen linke Band ins Visier- Grup Yorum muss Verbot in Deutschland befürchtet werden“:

„… In den Jahren sind zahlreiche angebliche DHKP-C Unterstützer*innen in Deutschland mittels des Paragraphen 129b wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Zu den inkriminierten Tätigkeiten, die ihnen vorgeworfen werden, gehört auch das Organisieren von Grup-Yorum-Konzerten, das Kleben von Plakaten und der Verkauf von Tickets für ihre Auftritte. Seit Jahren werden in Deutschland die Konzerte der Band massiv behindert. Im Ausland lebende Musiker*innen werden an der Einreise nach Deutschland gehindert, Räume werden auf staatlichen Druck gekündigt. In den letzten Jahren wurden Grup-Yorum-Konzerte unter massive Auflagen gestellt. So war es den Veranstalter*innen bei den Konzerten 2016 und 2017 in Fulda untersagt, für das Konzert Eintritt zu nehmen. Selbst für Essen und Getränke durfte kein Geld kassiert werden. Und auch das Sammeln von Spenden war verboten. Die Polizei setzte diese Auflagen konsequent durch. …Auf eine Anfrage der LINKE-Fraktion im Bundestag stellte sich das Bundesinnenministerium ausdrücklich hinter die von den Bundesländern verhängten Auftrittsverbote und Auflagen gegen Grup Yorum. Mit Verweis auf die linke türkische Zeitung »Yürüyüs« sieht das Ministerium die Band fest in die Strukturen der DHKP-C integriert. Die Band unterstütze den »weltweiten revolutionären Kampf« so das Innenministerium. Die innenpolitische Sprecherin der LINKEN, Ulla Jelpke, kritisiert hingegen, dass das Bundesinnenministerium nicht belege, wo die Übereinstimmungen zwischen Grup Yorum und DHKP-C liegen. Im Gegensatz zu Konzerten rechtsextremer Gruppen werde auf Konzerten von Grup Yorum »nicht gegen andere Menschen gehetzt, sondern zu Völkerverständigung aufgerufen«.“

Erdoğans langer Arm in die NATO …

„Die bekannte und beliebte türkische Protestband „Grup Yorum“ ist seit langem auch in Westeuropa immer wieder Zielscheibe justizieller Verfolgungen und Angriffe im Auftrag des transatlantischen NATO-Partners Türkei. Diese, auch in unseren Breiten sehr populäre Stimme der linken Opposition in der Türkei, wird dabei – gleich dem seitens der Machthaber und Sicherheitsbehörden in der Türkei über sie verhängten Verdikt – taxfrei als Frontorganisation der DHKP-C eingestuft bzw. dieser zugerechnet. Unmittelbar nach erfolgreicher Premiere ihres Filmprojekts „Das Viertel / MAHALLE“ verhafteten die deutschen Behörden den Musiker der Band, Ihsan Cibelik, die Journalistin Özgül Emre sowie Serkan Küpeli. Der Despot in Ankara macht derweilen unter der Hand klar, dass er auch von Finnland und Schweden analoge Gegenleistungen für ihren NATO-Beitritt verlangt.

Die seit ihrer Gründung 1985 vom türkischen Staat verfolgte Protestband schafft es mit ihrer Musik und ihren politischen Songtexten zeit ihres Bestehens, breiteste Massen zu erreichen und ganze Stadien zu füllen. Daher ist sie dem türkischen Staat seit jeher ein Dorn im Auge. Immer wieder haben türkische Behörden deshalb Mitglieder der Gruppe verhaftet, eingesperrt und gefoltert. Auftritte und Alben wurden verboten und beständig versucht, die Band zu kriminalisieren. In gleicher Manier und Logik legten und legen europäische Behörden selbst noch die schlichte Organisierung bzw. Bewerbung von Konzerten der Musikgruppe Grup Yorum oder auch nur den Ticketverkauf als „Terrorismus-Unterstützung“ in der Türkei aus.

… … …

„Direnmek Üretmektir“ https://www.gefangenen.info/1161/direnmek-ueretmektir/

Ein Interview mit Grup Yorum-Mitglied İhsan Cibelik über Kunst, Kreativität und Kommunikation unter Bedingungen der Gefangenschaft in der Türkei

„Wir haben in unseren letzten Ausgaben immer wieder das revolutionäre Musikkollektiv Grup Yorum zum Thema gehabt. Grund hierfür bildete die ansteigende Repression gegen die Band sowie gegen ihr Istanbuler Kulturzentrum İdil. Wir hatten nun die Möglichkeit, mit dem Bandmitglied İhsan Cibelik ein Gespräch zu führen, wobei wir uns anlässlich unseres Schwerpunktes über Kunst, kreatives Schaffen und Kommunikation unter Bedingungen der Gefangenschaft unterhalten haben.“

„Wir antworten mit unseren Liedern auf eure Listen!“ – Interview mit den Grup Yorum-Mitgliedern Umut Gültekin und Ege Yılmaz

Grup Yorum Broschüre

Sonderausgabe des Gefangenen Info Ausgabe 2/2020

Hier könnt ihr euch die Broschüre ansehen und herunterladen

Inhalt des Heftes

4 Vorwort

5 Solidarität mit Grup Yorum

Interviews

6 Interview mit dem Grup Yorum Solidaritäts-Komitee Deutschland

8 „Wenn du nicht brennst…“ Interview mit Umut Gültekin

10 „Wir antworten mit unseren Liedern auf eure Listen!“ – Ein Interview mit Umut Gültekin und Ege Yılmaz

16 „Direnmek Üretmektir“ – Interview mit İhsan Cibelik

24 „Grup Yorum ist das Volk! Ihr könnt es nicht zum Schweigen bringen!“ – Interview mit einem Mitglied von Grup Yorum

Alben von Grup Yorum

30 Eine kurze Diskografie

34 Notstandsgesetze vs. Grup Yorum

35 Unsere Lehrer von gestern bis morgen – Ruhi Su

Noten von Grup Yorum

36 Über „Tavır“

37 Eylül

38 Kavuşma

39 Yarın Bizimdir

40 Yıldızlar Kuşandık

41 Gündoğdu

42 Gel Yine

44 Sesimi Duyan Var Mı?