1.Mai – Internationaler Kampftag der Arbeiter_innenklasse gegen Lohnsklaverei und Repression

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  Arbeidernes internasjonale kampdag 

Fête du Travail           العمالعيد

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Día Internacional del Trabajador 

メーデー                                      Labor Day

 Emek ve Dayanışma Günü   

 

 

Jedes Jahr seit Bestehen der Ortsgruppe war die Rote Hilfe e.V.

auf dem 1. Mai mit einem Stand vertreten -Treffpunkt für Viele, Möglichkeit Kontakte zu knüpfen, mit Einzelnen wie mit Gruppierungen. Das fällt dieses Jahr aus. Daher dokumentieren wir hier mehrere Aufrufe aus Hannover zum diesjährigen 1. Mai.

Weitere Aufrufe und Initiativen siehe u.a. LabourNet – dem Treffpunkt für Ungehorsame,
mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch

 

Unsere Beratung findet weiterhin statt.

Rote Hilfe Hannover
c/o UJZ Kornstraße
Kornstr. 28/32 | 30167 Hannover

hannover@rote-hilfe.de

Falls ihr behelligt werdet bei den Aktionen beim 1. Mai meldet euch bei uns. An der Eingangstür des UJZ Kornstraßewird ein Zettel hängen mit Infos wie wir erreichbar sind – wir lassen euch dann rein.

 

 

Grußwort zum 1. Mai 2020: Versammlungsfreiheit verteidigen!

Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. > 30.04.20

Liebe Genoss*innen,

vielerorts gehen am 1. Mai trotz Corona-Pandemie viele Aktivist*innen auf die Straße – und das ist gut so!

 Denn trotz Corona, notwendigem Infektionsschutz und Abständen bleibt der 1. Mai unser Tag. Heute ist der Tag der Werktätigen und Lohnabhängigen, der Unterdrückten und um Befreiung Kämpfenden auf der ganzen Welt.

 Die Forderungen sind vielfältig und unterschiedlich, doch sie haben gemeinsam, dass wir alle für eine solidarische Gesellschaft ohne Ausbeutung streiten.

 Das Recht, unsere Forderungen laut und öffentlich zu artikulieren, müssen wir in diesen Tagen politisch und juristisch verteidigen. Die Pandemie darf kein Vorwand für die Abschaffung von Grundrechten sein.Wir alle haben gesehen, wie in mehreren Städten in den letzten Wochen linke Demonstrationen trotz der freiwilligen Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen auseinander geprügelt und aufgelöst wurden und es zu Festnahmen kam.

Mit dem Verweis auf Landesverordnungen wurden alle möglichen Repressalien gerechtfertigt und durchgesetzt.

 Es war notwendig, dagegen zu klagen und wird es auch wahrscheinlich noch eine Weile bleiben. Die aktuelle Rechtspraxis ist alles andere als einheitlich und unterscheidet sich von Stadt zu Stadt. Aber es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Repressionsbehörden schauen, wie weit sie gehen können, bevor sich Widerstand regt. Sicher werden einige versuchen, die Gunst der Stunde zu nutzen, um das Versammlungsrecht zu schleifen.

 Das dürfen wir nicht hinnehmen!

 Es gibt bereits Teilerfolge. In mehreren Orten sind Behörden einsichtig, in anderen wurden Genehmigungen vor Gericht durchgesetzt. Und sicher werden wir erleben, dass einige der aktuellen Maßnahmen im Nachhinein von den Verwaltungsgerichten als rechtswidrig erklärt werden.

Aber das ist kein Selbstläufer und es gibt keine Garantie darauf, dass das Versammlungsrecht und die politischen Grundrechte nach der Pandemie nicht erheblichen Schaden nehmen.

 Deswegen sollten wir spätestens jetzt damit beginnen, uns zu wehren!

 Angesichts der Krise verschärft sich die Arbeits- und Lebenssituation für Millionen von Menschen.

Man kann niemandem verbieten, für den Erhalt der Arbeitsplätze, höhere Löhne, die Anhebung der Rente und der Hartz IV Sätze und eine grundsätzliche Alternative zum kapitalistischen System der Ausbeutung zu demonstrieren. Ebenso muss es möglich sein, gegen rechte Hetze und für humanitäre Hilfe für Geflüchtete zu demonstrieren, ohne von der Straße geprügelt zu werden. Und wir fordern das Recht, für die Freilassung aller politischen Gefangenen weltweit auf die Straße gehen zu können! Das werden wir uns auch nicht nehmen lassen, so oder so.

Linke Proteste haben immer allen Verboten zum Trotz ihren Ausdruck gefunden und das werden sie auch in dieser gesellschaftlichen Situation, in der eine sichtbare linke Opposition so notwendig ist.

– Es lebe der 1. Mai!

– Freiheit für alle politischen Gefangenen!

– Solidarität ist unsere stärkste Waffe!

– Schafft Rote Hilfe!

 

Aufruf aus Hannover

von: Bündnis für einen kämpferischen 1.Mai in Hannover am: 17.04.2020

Wie wir uns auch ohne klassische Demonstration den öffentlichen Raum zurückerobern können

Seit mehreren Monaten planen wir als Bündnis für einen kämpferischen 1. Mai verschiedene Aktionen und eine gemeinsame Demonstration für den Kampftag der Arbeiter*innen in Hannover.
Die im Vorjahr erstmals von diesem Bündnis organisierte Demonstration mit 2000 Teilnehmer*innen bildete hierbei die Grundlage für unsere bisherigen Überlegungen. Da sich die Bedingungen durch die Covid-19 Pandemie für unsere politische Praxis grundlegend geändert haben, möchten wir euch unser angepasstes Konzept für den Tag vorstellen.

Dieser Text soll keinen Aufruf ersetzen, sondern ein praktischer Debattenbeitrag für eine politische Praxis am 1.Mai sein. Allerdings wollen wir an dieser Stelle deutlich machen, dass der 1.Mai als Aktionstag wichtiger denn je ist und aufgrund der sich zuspitzenden Situation, trotz Kontaktverboten, eine offensive Praxis das Ziel für den Tag sein sollte.

Auch ohne Covid-19 würde es mehr als genug Gründe für eine Revolte geben. Die sich zuspitzende Situation für Mieter*innen, das Elend der Geflüchteten an den EU Außengrenzen, der grassierende Rassismus, der Rechte Terror, die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und nicht zuletzt die immer ungleichere Verteilung von Ressourcen und Reichtum. Das Alles müsste eigentlich schon Grund genug sein, den symbolischen Charakter einer ritualisierten 1.Mai Demonstration zu verlassen. Durch Covid-19 verschärfen sich die Verhältnisse für uns alle weiter. Mieter*innen stehen noch mehr unter Druck, müssen sich verschulden, umziehen oder werden obdachlos. Das Elend auf den griechischen Inseln steigt ins Unermessliche. Rechte Prepper und Neonazis räumen ihr Waffenlager leer und spekulieren auf den lang ersehnten TagX. Der Staat und die Bullen erfreuen sich an autoritären Maßnahmen, wobei jeder praktische Widerspruch mit voller Härte geahndet wird. Für viele Arbeiter*innen bedeutet die Covid-19 Krise Kündigung oder Kurzarbeit. Die Arbeitgeberverbände nutzen die Situation um erkämpfte Errungenschaften der Arbeiter*innen wieder los zu werden. Der 8 Stunden Tag wird aufgeweicht und es wird offen über Zwangsarbeit diskutiert.

Dennoch sehen wir in der aktuellen Krise auch Potenzial. Wir sehen die selbstorganisierten Solidaritätsstrukturen, die wilden Streiks, die Knastrevolten, die Mietsstreiks. Wir sehen Brüche im System an denen es die Hebel anzusetzen gilt.
Doch wie kann eine Praxis unter den gegeben Bedingungen aussehen? Wie können wir auch mit Kontaktverboten kollektive Momente im Widerstand schaffen? Darüber zerbrechen sich sicherlich unzählige Gruppen derzeit den Kopf. Grund genug für uns euch unser Konzept für den 1.Mai in Hannover vorzustellen.

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Teil 1 Radio-Kundgebung

Wir werden am 1.Mai eine Kundgebung abhalten, jedoch nicht im klassischen Sinne, wo wir uns an einem zentralen Platz treffen würden. Wir wollen eine Situation schaffen in der sich alle von zu Hause aus, aber auch auf der Straße beteiligen können. Wir wollen es gemeinsam schaffen, dass mindestens in den Stadtteilen wo auch unsere Demonstration stattgefunden hätte, also Linden und Nordstadt, unsere Kundgebung in jeder Straße zu hören ist.Wie setzen wir das um?Mit einer Sendung über ein Online Radio und vielen lauten Musikanlagen bzw. Boxen. Wir werden als Bündnis am 1.Mai bei Radio Flora von 13-14Uhr auf Sendung sein und unsere Kundgebung abhalten. Die Bewegung muss dafür sorgen, dass wir in der Stadt und insbesondere in unseren
Stadtteilen zu hören sind.

Für alle Teilnehmer*innen bedeutet das:

– Verkabelt eure Musikanlage bzw. eure Boxen mit eurem Computer, Smartphone oder Onlineradio
– Stellt die Boxen an eure Fenster oder auf eure Balkone
– Schaltet am 1.Mai pünktlich um 13Uhr den Livestream von Radio Flora ein (radioflora.de)
– beschallt euren Stadtteil mit Redebeiträgen und Aktionsberichten
– überzeugt eure Freund*innen, Nachbar*innen usw. mitzumachen
– überlegt euch, ob ihr einen Zugriff auf größere Musikanlagen habt, die man nutzen könnte
– nutzt auch tragbare Musikanlagen, mit denen man draußen unterwegs sein kann

Teil 2 – Dezentrale Aktionen

Wir rufen dazu auf, für den Tag Aktionen vorzubereiten und dezentral durchzuführen. Eurer Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Wir werden als Bündnis die Struktur zur Verfügung stellen uns (auch anonym) über Aktionen die stattfinden oder stattgefunden haben zu informieren, sodass wir in regelmäßigen Blöcken über Radio zu diesen Aktionen berichten.

Für alle Teilnehmer*innen bedeutet das:

– bereitet in euren Zusammenhängen Aktionen für den 1. Mai vor
– berichtet uns kurz vor oder während der Sendung über Aktionen die gerade stattfinden oder stattgefunden haben
– wie ihr uns Infos zukommen lassen könnt, werden wir in kürze veröffentlichen
– beschäftigt euch im Vorfeld mit digitaler Sicherheit um evtl. polizeiliche Ermittlungen ins Leere laufen zu lassen
– wir berichten dann live über die Aktionen im Radio

Wir freuen uns auf weitere Konzepte aus anderen Städten!
Bündnis für einen kämpferischen 1. Mai in Hannover, April 2020

siehe auch Radio Flora  Das Programm am 1. Mai ab 9 Uhr

Am 1. Mai wird es in diesem Jahr voraussichtlich keine herkömmlichen Veranstaltungen und Demonstrationen geben. Radio Flora will aber gerade in Zeiten des Schweigens, der Abschaffung demokratischer Grundrechte, der Aushebelung des Grundgesetzes und betrieblicher Schutzrechte denen eine Stimme geben, die nicht gehört werden. Die Freien Radios sind in diesen Zeiten so wichtig wie noch nie zuvor.

Auf Wunsch von Gewerkschafter*innen wird es bei Radio Flora am 1. Mai von 9 – 17 Uhr eine Sondersendung geben. Gewerkschafter*innen werden die Situation in den Betrieben im Zeichen der Krise schildern.

Auch der baskisch-deutsche Kulturverein BASKALE aus Bilbao wird sich an der Sendung beteiligen und über die Situation in den Betrieben und die Positionen der Gewerkschaften im Baskenland berichten.

Für 13 Uhr bereitet die Initiative Kämpferischer 1. Mai Hannover eine einstündige Sendung vor, die per Lautsprecher in möglichst viele Stadtviertel und Straßen übertragen werden soll.

Zum Abschluss des 1. Mai 2020 gibt es ab 16 Uhr Reggae mit Mystical Mo im Studio”

 

Ein weiterer Aufruf:

Liebe Genossinnen und Genossen!

Da wir den 1. Mai nicht gänzlich unkämpferisch bzw. untätig zuhause verbringen wollen, aber in Hannover keine Kundgebung angemeldet ist und Versammlungen daher nicht möglich sind, haben wir uns eine dezentrale 1.-Mai-Aktion ausgedacht: den „roten Lese-Spaziergang”.

Wir werden am Freitag 6 Stationen vorbereiten:
1.) an den Kirschbäumchen auf dem Küchengartenplatz,
2.) am Ihme-Zentrum,
3.) am Brückengeländer Richtung Königsworther Straße,
4.) auf der gegenüberliegenden Seite an der Litfasssäule an der kleinen Wegabzweigung zum Uferweg/Bootsanleger,
5.) an dem entsprechenden Brückengeländer Richtung Limmerstraße zurück und
6.) an der Litfasssäule vor dem Heizkraftwerk.
Die Stationen bestehen aus unserem Mai-HVB (der DKP Kleinzeitung Hannoversches Volksblatt), das lesbar aufgehängt wird, der Einladung zur Kundgebung zum 8. Mai, sowie dem einen oder anderen Transparent.

Es wäre toll, wenn wir möglichst viele 2er-Gruppen zusammenbekommen, die diesen “Rundgang” abspazieren und dabei – mit DKP-Westen, Fahnen, Transparenten… – mit Abstand aber doch optisch vereint Präsenz am Kampftag der Arbeiterklasse zeigen. Natürlich kann man sich auch eine „Station” aussuchen und sich in ihrer Nähe aufhalten (ohne den ganzen „Spaziergang” zu absolvieren), damit jeweils ein paar Ansprechpartner bei Fragen aus der Lauf„Leserschaft” vor Ort sind.

Ladet gerne auch zahlreich zum „roten Spaziergang” ein! Heraus zum 1. Mai!!

1. Mai von 12 – 15 Uhr: Küchengarten – Spinnereibrücke – Glocksee – Spinnereibrücke – Heizkraftwerk – Küchengarten

Wir sehen uns auf der Straße, mit roten Grüßen, DKP Gruppe Hannover Linden

 

Und noch ein Aufruf:

Internationalistisches Bündnis: Den 1. Mai lassen wir uns nicht nehmen!

Seit 1890 ist der 1. Mai der internationale Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse. Er wurde durchgesetzt und verteidigt gegen alle Verbote und Unterdrückungsversuche – und wird es bis heute in vielen Ländern der Welt. Die Corona-Pandemie ist eine weltweite Herausforderung. Sie erfordert die Durchsetzung konsequenter Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit. Eine Absage des 1. Mai aber rechtfertigt sie niemals!

Das iternationalistische Bündnis Hannover ruft zu einer Kundgebung und Demonstration auf.

Am 1. Mai 2020, Beginn: 10.00 Uhr, Ort: Goseriede Nähe Steintor

Kommt mit euren Forderungen und Anliegen. Für einen kämpferischen 1. Mai.

 

link: Nein zum 12-Stunden-Tag!

23.04.2020: Wir fordern die Bundesregierung auf, die Verordnung zur Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes unverzüglich zurückzunehmen. Gemeinsame Erklärung von DGB-Jugend, Jusos, Grüne Jugend, SJD – Die Falken und DIDF-Jugend.

 

“… … Wir stehen in einer Geschichte sozialer Kämpfe, die über die Jahrzehnte für die Verkürzung des Lohnarbeitstages gekämpft hat. Wir widersetzen uns allen Versuchen, die dabei erkämpften Fortschritte zurückzudrängen. Auch dieses Jahr werden wir am 1. Mai lautstark auf unseren Kampf aufmerksam machen. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wenn unsere Interessen zurückgedrängt werden.”31

 

Bundesweit:

link: 1. Mai 2020 – Tag der Arbeit abgesagt? Heraus zum 1. Mai? Heraus zum 1. Mai!

 

 

 

 

 

Anmerkungen zur Geschichte des 1.Mai

siehe auch: “Geschichte des 1. Mai: Vom Kampftag zum Feiertag” aus der Sicht des DGB…

und die Sammlung: Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 der Friedrich Ebert Stiftung

 

8 Stunden Tag2

Der walisischen Sozialreformer Robert Owen hatte den Slogan geprägt: »Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen, acht Stunden Freizeit und Erholung«

1884 forderten die “Föderierten Gewerkschaften und Arbeitervereine der USA und Kanadas”, dass ab dem 1.Mai 1886 der legale Arbeitstag nicht mehr als 8 Stunden zu betragen hätte. Als dieser Tag dann kam, traten in den USA in 11 562 Betrieben ca. 340.000 Arbeiter_innen in den Streik.

Einen bestimmten Tag im Jahr für den Kampf um dieses Ziel auszuwählen, fußte in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Zum Beispiel hatten die Arbeiter_innen Manchesters den 1. März 1834 als Streiktag bestimmt, am 1. Mai 1856 versammelten sich in verschiedenen größeren Städten Australiens zehntausende Arbeiter_innen um für den 8-Stunden-Tag zu demonstrieren und feierten seit dem jedes Jahr ihren Sieg im Kampf um den Achtstundentag als Labor Day.

Der1. Mai war bis dahin in den USA der sogenannte „Moving day“. Er war der Stichtag für Vertragsabschlüsse oder -aufhebungen und den damit häufig verbundenen Arbeitsplatz- und Wohnungswechseln. Indem die Gewerkschaften ihre Forderungen auf diesen Tag orientierten, wollten sie durchsetzen, dass in die neu abzuschließenden Arbeitsverträge der Achtstundentag als verbindlich aufgenommen wurde. Die Holzarbeiter von San Francisco hatten am 1. Mai 1883 und ihre Berufskollegen in Los Angeles genau ein Jahr später immerhin die Einführung des Neunstundentages erreicht.

Die Forderung nach Einführung des achtstündigen Arbeitstages stand seit 1865, dem Ende des Bürgerkrieges, im Mittelpunkt des Kampfes der amerikanischen Gewerkschaften, vor allem der IWW. Bis in die 1860er Jahre galten in den meisten US-Betrieben Arbeitszeiten von 11 bis 13 Stunden, erst dann konnten sie den Zehn-Stunden-Tag als Regelarbeitszeit durchsetzen. Wie populär die Losung des Achtstundentages war, zeigte sich darin, dass die amerikanischen Arbeiter_innen „Acht-Stunden-Tabak“ rauchten, „Acht-Stunden-Schuhe“ kauften und das „Acht-Stunden-Lied“ sangen. (Später in Deutschland verweisen z.B. die acht Knöpfe an der Kluft der Wandergesellen auf diese Forderung)

Haymarket

3Schauplatz besonders heftiger Klassenauseinandersetzungen war Chicago. Hier hatten am 1. Mai 1886 rund 40.000 Arbeiter_innen die Arbeit niedergelegt und auf einer Massenversammlung die Einführung des achtstündigen Arbeitstages gefordert. Tausende wurden daraufhin ausgesperrt, von den Fabrikherren gedungene bewaffnete Streikbrecherbanden terrorisierten unter dem Schutz und mit Unterstützung der Polizei die Arbeiter_innen. Auch die Arbeiter der McCormick-Werke streikten seit Februar für den 8-Stunden-Tag. Am 1. Mai 1886 hielten die McCormick-Arbeiter in der Nähe ihres Werks eine Kundgebung ab. Während der Kundgebung erschienen vor dem Tor Streikbrecher. Noch ehe es zu Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und Streikbrechern kam, erschien eine Polizeitruppe. Mit Revolverschüssen und Schlagstöcken gingen sie gegen die Streikenden vor. Mindestens ein Arbeiter wurde getötet, viele zum Teil schwer verletzt.

Der Deutsch-Amerikaner August Spies, Herausgeber einer anarchistischen Arbeiterzeitung, schrieb ein Flugblatt, in dem er zur Protestkundgebung gegen den Polizeiübergriff gegen die McCormick-Arbeiter am 4. Mai 1886 auf dem Haymarket aufrief.

Die Protestversammlung auf dem Haymarket verlief ohne Zwischenfälle. Als aber die letzte Rede schon fast zu Ende war, stürmte ein Polizeihauptmann mit mehr als 150 Polizisten im Eilschritt auf die noch Anwesenden zu und befahl der Versammlungsleitung, die Veranstaltung sofort aufzulösen. Ein großer Teil der Demonstrant_innen hatte sich von der Kundgebung bereits wieder entfernt. In dem Moment wurde eine Bombe in die Reihen der Polizei geworfen. Ein Polizist starb. Die Polizei eröffnete daraufhin ziellos das Feuer. Mehr als 200 Arbeiter_innen wurden verletzt; die Zahl der Toten wird mit sieben Polizisten und schätzungsweise der dreifachen Anzahl auf Seiten der versammelten Arbeiter_innen angegeben. Der Verdacht, dass es sich bei dem Bombenwurf um eine Polizeiprovokation gehandelt hat, liegt auf der Hand. Der Polizeichef von Chicago gab später zu, dass die Polizei selbst anarchistische Gruppen gegründet und unterwandert und diese mit Waffen und Bomben ausgestattet habe.

Am nächsten Tag wurde im ganzen Land das Kriegsrecht ausgerufen. In Chicago wurden Arbeiterführer verhaftet, ihre Häuser ohne Durchsuchungsbefehl gestürmt und Gewerkschaftszeitungen verboten. Weltweit nutzten Regierungen den Vorfall, um gegen Gewerkschaften vorzugehen.

Am 27. Mai 1886 begann der Prozess gegen acht Funktionäre der Gewerkschaftsbewegung.4 Ihnen wurde „Beihilfe zum Mord“ und Verschwörung vorgeworfen. Alle waren in der Bewegung für den Acht-Stunden-Tag und alle waren Anarcho-Syndikalisten. Der gegen sie durchgeführte Prozess richtete sich gegen die gesamte Arbeiterbewegung. Hysterisch forderte der Staatsanwalt, dass die Arbeiter „wie Ratten in ihre Höhlen zurückgejagt“ werden sollten. Die Geschworenen wurden nicht, wie in den USA normalerweise üblich, ausgelost, sondern vom Staatsanwalt ausgewählt – alle waren von der Schuld der Angeklagten vorweg überzeugt. Als aber immer noch Zweifel an deren Beteiligung am Attentat bestanden, erklärte der Richter den Geschworenen, es käme nicht darauf an, ob die Angeklagten am Attentat beteiligt gewesen wären, sondern es ginge einzig und allein darum, ob die Angeklagten die Anwendung tödlicher Geschosse gegen die Polizei „bei Gelegenheit, die sich in Zukunft irgendwann einmal bieten könnte, befürwortet haben.“ Sie sollten also für etwas bestraft werden, was sie möglicherweise einmal für richtig halten könnten.

Der reaktionären Klassenjustiz gelang es während des gesamten Prozesses nicht, den Angeklagten eine Schuld an dem Blutbad auf dem Haymarket nachzuweisen. Die Person, die die Bombe geworfen hatte, ist bis heute unbekannt geblieben,

Der Prozess endete damit, dass sieben der Angeklagten auf Grund der haltlosen Anschuldigungen zum Tode verurteilt wurden. Zwei von ihnen wurden dann vom Gouverneur des Staates Illinois zu lebenslänglichem Gefängnis „begnadigt“. Der Zimmermann Louis Lingg fand unter mysteriösen Umständen in der Nacht vor der Hinrichtung in seiner Zelle den Tod. Eine Dynamitpatrone hatte ihm den Kopf zerschmettert. Die anderen vier – August Spies, Georg Engel, Adolph Fischer und Albert Richard Parsons – wurden am 11. November 1887 mit dem Strang hingerichtet.

Die Verurteilten waren Anarchisten; aber in der gesamten organisierten Arbeiterbewegung wurden die Morde verurteilt und auch die deutsche Sozialdemokratie stellte fest, dass sie „als Vertreter ihrer Klasse“ abgeurteilt und „als Märtyrer ihrer bis zuletzt hochgehaltenen Überzeugung, als Opfer brutalen Klassenhasses“ in den Tod gegangen waren. Der an ihnen verübte Justizmord war so offenkundig, dass eine Welle des Protestes und der Sympathie mit den Opfern durch die internationale Arbeiterklasse ging.

5Der Kampf um die Verkürzung der Arbeitszeit

Der Kampf um die Verkürzung der Arbeitszeit gewann zunehmend an Breite durch den allgemeinen Aufschwung, den die internationale Arbeiterbewegung am Ausgang der achtziger Jahre nahm. Im Dezember 1888 beschloss ein Kongress der amerikanischen Gewerkschaften in St. Louis, dass die Bewegung für den Achtstundentag am 1. Mai 1890 wieder umfassend aufgenommen und durch große Massenversammlungen vorbereitet werden sollte. Wenige Wochen zuvor hatten die französischen Gewerkschaften, die Fédération Nationale des Syndicats et Groupes Corporatifs Ouvriers de France, auf ihrem Kongress in Bordeaux die Forderungen nach Mindestlohn, Achtstundentag und internationalem Arbeiterschutz erhoben. Am 10. Februar 1889 wurden den Präfekten oder Bürgermeistern in etwa 60 französischen Städten und Industriezentren Petitionen unterbreitet, die diese Forderungen enthielten. Der Erfolg der Aktion war so groß, dass beschlossen wurde, dem unmittelbar bevorstehenden Internationalen Arbeiterkongress in Paris einen Antrag vorzulegen, in dem vorgeschlagen wurde, einen derartigen Schritt im internationalen Maßstab durchzuführen.

Bereits 20 Jahre früher, im Jahre 1866, hatte der Genfer Kongress der Internationalen Arbeiterassoziation die Forderung nach gesetzlicher Beschränkung der Arbeitszeit erhoben. In dem dazu gefassten Beschluss wurde die Beschränkung der Arbeitszeit als „eine Vorbedingung“ bezeichnet, „ohne welche alle anderen Bestrebungen nach Verbesserung und Emanzipation scheitern müssen. Sie ist erheischt, um die Gesundheit und körperliche Energie der Arbeiterklasse, d. h. der großen Masse einer jeden Nation, wiederherzustellen und ihr die Möglichkeit geistiger Entwicklung, gesellschaftlichen Verkehrs und sozialer und politischer Tätigkeit zu sichern.“ Der Kongress schlug vor, den Arbeitstag durch Gesetz auf acht Stunden zu beschränken. Er verwies darauf, dass eine solche Regelung bereits von den Gewerkschaften in den USA verlangt und nunmehr durch seinen Beschluss „zur allgemeinen Forderung der Arbeiterklasse der gesamten Welt“ erhoben wurde.

Im Sinne des 1866 auf dem Genfer Kongress der IAA gefassten Beschlusses gehörte der Normalarbeitstag auch zu den nächsten Forderungen des Eisenacher Programms der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei von 1869. Der Dresdener Kongress der SDAP 1871 bezeichnete es in einer einstimmig angenommenen Resolution als „die Pflicht eines jeden Arbeiters, einzutreten für Erkämpfung eines durch Gesetz festgestellten Normalarbeitstages von höchstens 10 Stunden zum Schutze der Arbeiter gegen übermäßig lange Arbeitszeit“. Es war allerdings ein Rückschritt, als diese eindeutige Forderung dann im Programm des Gothaer Vereinigungskongresses 1875 auf die vage Formulierung von einem „den Gesellschaftsbedürfnissen entsprechenden Normalarbeitstag“ reduziert wurde. Erst in dem Anfang 1885 von den sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstag einbrachten Entwurf eines Arbeiterschutzgesetzes wurde für alle gewerblichen Arbeiter über 16 Jahre ein zehnstündiger Maximalarbeitstag gefordert.

„An die Arbeiter in Europa und Amerika!“

8Zum Juli 1889 hatten Sozialisten aus Frankreich anlässlich des 100. Jahrestages des Sturms auf die Bastille zu einem Internationalen Arbeiterkongress eingeladen. In dem von ihnen veröffentlichten Aufruf „An die Arbeiter in Europa und Amerika!“ stellten sie fest: „Die Kapitalistenklasse ladet die Reichen und Mächtigen zu der Weltausstellung ein, um die Werke der Arbeiter zu betrachten und zu bewundern, die, selber inmitten des mächtigen Reichtums, den je eine menschliche Gesellschaft besessen, zum Elend verurteilt sind. Wir Sozialisten, deren Streben die Befreiung der Arbeit, die Abschaffung des Lohnsystems und die Errichtung eines Gesellschaftszustandes ist, in dem alle Arbeiter – ohne Unterschied des Geschlechtes und der Nationalität- ein Recht auf den durch die gesamte Arbeit geschaffenen Reichtum haben, wir laden die wirklichen Produzenten ein, mit uns am 14. Juli in Paris zusammenzutreffen! Wir laden sie ein, das Band der Brüderlichkeit zu festigen, das, indem es die Proletarier aller Länder in ihrem Kampfe stärkt, den Beginn der neuen Weltordnung beschleunigen wird.“

Etwa 390 Delegierte von sozialistischen Arbeiterparteien und -gruppen sowie von Gewerkschaften aus Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, der Schweiz, Spanien und Ungarn kamen daraufhin zusammen. Auch die sozialistischen Arbeiter_innen der USA und Argentiniens hatten Delegierte entsandt. Am 20. Juli beschloss der internationale Arbeiterkongress, dass die europäischen Arbeiter_innen dem amerikanischen Vorbild folgen sollten und am 1.Mai ein europaweiter Streik organisiert werden solle. In der verabschiedeten Resolution des französischen Sozialisten Raymond Felix Lavigne hieß es:

Es ist für einen bestimmten Zeitpunkt eine große internationale Manifestation zu organisieren, und zwar dergestalt, dass gleichzeitig in allen Ländern und in allen Städten an einem bestimmten Tage die Arbeiter an die öffentlichen Gewalten die Forderung richten, den Arbeitstag auf acht Stunden festzusetzen und die übrigen Beschlüsse des internationalen Kongresses von Paris zur Ausführung zu bringen.

In Anbetracht der Tatsache, dass eine solche Kundgebung bereits von dem Amerikanischen Arbeiterbund (Federation of Labor) auf seinem im Dezember 1888 in St. Louis abgehaltenen Kongress für den 1. Mai 1890 beschlossen worden ist, wird dieser Zeitpunkt als Tag der internationalen Kundgebung angenommen. Die Arbeiter der verschiedenen Nationen haben die Kundgebung in der Art und Weise, wie sie ihnen durch die Verhältnisse ihres Landes vorgeschrieben wird, ins Werk zu setzen.“

Der Resolutionsentwurf wurde nach kurzer Diskussion angenommen. Der Beschluss, am 1. Mai 1890 in allen Ländern Kundgebungen für den achtstündigen Arbeitstag zu organisieren, wurde zur Geburtsurkunde der Maifeier.

Paul Lafargue schrieb, „Zum ersten Mal in ihrer Geschichte erlebte die Menschheit das Schauspiel, dass die Proletarier der ganzen Welt in dem gleichen Gedanken geeint, von dem gleichen Willen bewegt, auch der gleichen Losung folgen, dass sie ihre Kräfte zu einer gemeinsamen, einheitlichen Aktion zusammenschließen“

Seitdem war der 8-Stunden-Tag die Hauptforderung des 1. Mai. Die meisten Fabrikherren drohten daraufhin mit Aussperrungen und der Einstellung von Streikbrechern. In der Folge kam es immer wieder zu harten Auseinandersetzungen, die zahlreiche Tote und Verletzte kosteten, doch wurde der Tag durchgesetzt und gegen Kapital und Staat verteidigt.

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Der 1. Mai im Deutschen Kaiserreich (1890-1918)

Der Beschluss des Pariser Kongresses, den Kampf um den Acht-Stunden-Tag als internationale Aktion zu führen, fiel mitten in die größte Streikwelle hinein, die das Deutsche Reich bis dahin erlebt hatte. Bis Dezember 1889 hatten 18 Gewerkschaften ihre Absicht erklärt, am kommenden 1. Mai zu streiken. Diese Erklärungen waren nicht unumstritten. Im Kaiserreich war die Streikneigung verglichen mit anderen Ländern eher gering. Das hatte nicht nur mit der Schwäche der Gewerkschaften zu tun. Als die Maifeier vorbereitet wurde, galt in Deutschland noch das Sozialistengesetz. Die sozialdemokratische Partei, der viele Gewerkschafter nahestanden, war zwar zu den Reichstagswahlen zugelassen, aber als Organisation verboten. Während der Vorsitzende August Bebel im Reichstag Reden hielt, musste die Parteizeitung Vorwärts in Schweizer Käse verpackt über die Grenze geschmuggelt werden.

Die Unternehmerverbände drohten für den Fall von Streiks am 1. Mai mit Aussperrungen, Entlassungen und Schwarzen Listen. Wer darauf geriet, brauchte sich in seiner Gegend um Arbeit nicht mehr zu bemühen.

Das Ziel, der Achtstundentag, sollte – so die Sozialdemokraten – jedoch nicht durch einen Generalstreik, sondern durch Verhandlungen erreicht werden. Die deutsche Sozialdemokratie lehnte einen Generalstreik vehement ab. Die Resolution der SPD zum 1.Mai wurde jedoch missverständlicher Weise als Aufruf zum Streik aufgefasst. Dass die SPD-Funktionäre diesem entgegentraten, wurde ihnen von Basis und von den Gewerkschaften allenthalben übelgenommen. Während nun am 1.Mai lokale Gewerkschaften (später: FVDG) und die sozialdemokratische Opposition der “Jungen” für den Generalstreik am 1.Mai eintraten, sammelte die SPD relativ erfolglos Unterschriften. Trotz drohender Sanktionen beteiligten sich am 1. Mai 1890 in Deutschland etwa 100.000 Arbeiterinnen und Arbeiter an Streiks, Demonstrationen und sogenannten “Maispaziergängen”. Die regionalen Schwerpunkte bildeten Berlin und Dresden, aber auch Hamburg, wo es zu einem besonders erbitterten Arbeitskampf mit zeitweise 20.000 Beteiligten kam. Die Auseinandersetzungen zogen sich dort bis in den Spätsommer hin. Das war nur deshalb möglich, weil die Gewerkschaften die Aktionen an allen anderen Orten nach und nach aufgaben, um sich auf Hamburg konzentrieren zu können.

Es gelang ihnen zwar, das Koalitionsrecht zu sichern. Die im internationalen Vergleich bescheidene Forderung nach einem Neun-Stunden-Tag ließ sich jedoch nicht durchsetzen. Es blieb, wie in den meisten anderen kapitalistischen Ländern, zunächst bei zehn Stunden als Regelarbeitszeit. Ein “Nebenprodukt” des Streiks resultierte aber aus der Erfahrung gemeinsamer Aktion. Sie bewog die Vertreter der Gewerkschaften zur Gründung eines Dachverbandes, der noch 1890 als “Generalcommission der Gewerkschaften Deutschlands” unter Führung Carl Legiens gegründet wurde: Die Geburtsstunde des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

 

Kampftag oder Feiertag7

Die Sozialdemokratische Partei (SPD), gerade wieder zugelassen, beschloss auf ihrem Hallenser Parteitag im Oktober 1890, den 1. Mai als dauerhaften “Feiertag der Arbeiter” einzuführen. Um der Provokation die Spitze zu nehmen, wollte sie von Arbeitsruhe dort absehen, wo sich ihr Hindernisse in den Weg stellten. Partei und Gewerkschaften machten den Aufruf zum Streik von der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Betriebs abhängig. Wo er nicht möglich war, sollten am ersten Maisonntag Umzüge und Feste im Freien stattfinden. Die Zahl der Teilnehmer_innen schwankte in der Kaiserzeit zwischen wenigen Hundert in kleineren Ortschaften bis zu fast 100.000 in Großstädten. Oft wurden auch nur am Abend Maifeiern veranstaltet, um Sanktionen zu entgehen. Generell zeichneten sich die Maiveranstaltungen aber durch ihren Festcharakter und die deutliche Zurückhaltung, was Arbeitsniederlegungen anging, aus: Die Führung der SPD fürchtete, durch allzu radikale Aktionen die wachsende Anerkennung im liberalen Lager aufs Spiel zu setzen.

Als 1891 von der 2. Internationale beschlossen wurde, am 1.Mai die Arbeit niederzulegen, verlegte die SPD den Aktionstag in Deutschland auf den 1. Sonntag im Monat. Mit immer wieder neuen Ausreden versuchte die SPD im Folgenden, Arbeitsniederlegungen am 1.Mai zu verhindern: Die ökonomische Lage spräche dagegen, oder die “gegenwärtige Arbeitslage” usw. Dennoch fanden jedes Jahr Streiks statt. Die Streikenden hätten allerdings der finanziellen und organisatorischen Unterstützung der Gewerkschaften bedurft, was dieser ein Dorn im Auge war. Daher lehnten auch diese 1914 offiziell den Generalstreik ab, abgesehen von den lokalistischen und syndikalistischen Organisationen.

Einzelne Streiks gab es immer wieder: So streikten im Jahr 1903 in Crimmitschau (Sachsen) Textilarbeiter_innen sechs Monate lang für den »Zehn-Stunden-Tag«. damit griffen sie direkt den preußischen Staat an, in dessen Preußischer Fabrikordnung war erlasssen: “Die Arbeitszeit der Arbeiter, welches auch ihre Arbeiten sein mögen, wird vom Fabrikherrn nach den Umständen und der Jahreszeit bestimmt. Jeder Arbeiter ist verpflichtet, länger als gewöhnlich und auch sonntags zu arbeiten, wenn es die Umstände verlangen.”

Bereits vor 1914 wurde aus dem Kampftag ein Feiertag mit ritualisierten Inszenierungen, ergänzt von vielfältiger Unterhaltung, sodass der führende Sozialdemokrat Karl Kautsky beklagte, „die Maifeier ist zu einem harmlosen Volksfest geworden“.

Mit dem Ersten Weltkrieg brach die Sozialistische Internationale auseinander. Die SPD entschied sich wie ihre Schwesterparteien in den meisten anderen Ländern für ihr Vaterland und gegen Lohnbewegungen und Maikundgebungen (Burgfrieden). Die daraus resultierenden Konflikte zerrütteten die Arbeiterbewegung. Auch die deutsche Sozialdemokratie zerbrach. Nach Kriegsende gab es zwei sozialdemokratische und eine kommunistische Partei (KPD), deren Vorläufer, der Spartakusbund, gegen den Krieg auftrat und bereits seit 1916 wieder zu Streiks und Maidemonstrationen aufrief.

Ende des Kaiserreichs

Mit dem Ende des Kaiserreichs, dem Aufflammen der Revolution am Ende des Krieges und dem Erstarken der Gewerkschaften gelang es den 1. Mai in als Feiertag durchzusetzen und den 8-Stunden-Tag zu verankern. Der Rat der Volksbeauftragten, eine seit November 1918 amtierende kommissarische Revolutionsregierung aus SPD und Unabhängiger Sozialdemokratischer Partei (USPD), dekretierte als eine der ersten Amtshandlungen die Arbeitszeitverkürzung auf acht Stunden täglich. Den 1. Mai erklärte die Nationalversammlung im April 1919 zum gesetzlichen Feiertag. Das Gesetz war aber auf den 1. Mai 1919 begrenzt, die spätere Regelung sollte in eine internationale Lösung eingebunden werden und nach Friedensschluss und Verabschiedung der Verfassung erfolgen.

Am 15. November 1918, kurz nach der Abdankung des Kaisers, handelten der Ruhrbaron Hugo Stinnes und der Gewerkschaftsführer Carl Legien ein historisch zu nennendes Abkommen aus. Der Anstoß für das „Stinnes-Legien-Abkommen“ kam damals aus dem Unternehmerlager. Dort hatte man Sorgen wegen der revolutionären Forderungen der Arbeiter. Dagegen wollte man eine Mauer bauen, dafür brauchte man „einsichtige“ Gewerkschafter. Die Unternehmer boten die „Sozialpartnerschaft“ an, um „Sozialisierung“ zu stoppen. So wollten sie verhindern, sich für ihre Mitverantwortung für den Krieg verantworten zu müssen. Die Unternehmer erkannten die Gewerkschaften als Vertretung der Arbeiterschaft und als gleichberechtigte Tarifpartner an. Kernpunkte waren der Acht-Stunden-Tag, die Einrichtung von Arbeiterausschüssen (Vorläufer der Betriebsräte) und die Vereinbarung, dass die Arbeitsbedingungen in Kollektivvereinbarungen festgelegt werden.

Als Gegenleistung erkannten die Gewerkschaften, die während des Ersten Weltkriegs zur größten Massenorganisation in Deutschland herangewachsen waren, die freie Unternehmerwirtschaft an. Der von der politischen Linken wie dem Spartakusbund geforderten Vergesellschaftung der Produktionsmittel wurde damit eine Absage erteilt. Die Gewerkschaften hatten nur vorläufig ihr Hauptziel erreicht, vom „Sozialpartner“ Kapital anerkannt zu werden. Dafür gehörten sie zu den größten Gegnern der Räte, die sich nach der Revolution am 9. November 1918 überall in Deutschland spontan bildeten.

Den organisatorischen Rahmen zukünftiger Kooperation sollte die aus Unternehmern und Gewerkschaftsvertretern paritätisch besetzte Zentralarbeitsgemeinschaft (ZAG) bilden. Diese stellte für die Unternehmerverbände jedoch von Anfang an weniger eine Allianz als ein Zweckbündnis dar. Nach Auseinandersetzungen um die Höhe der Arbeitszeit brach die ZAG 1924 auseinander. Kaum war die organisierte Arbeiterschaft – mit Unterstützung der Freikorpsblutig niedergeschlagen worden, wollte das Kapital auch von den Zugeständnissen nichts mehr wissen, die sie im Stinnes-Legien-Abkommen der vorrevolutionären Situation geschuldet noch machen mussten.

Noch 2018 feierten die Gewerkschaften diese „100 Jahre Sozialpartnerschaft“. 100 Jahre »Sozialpartnerschaft« – 100 Jahre zu viel

Versuche des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) und der SPD, den Tag der Arbeit über 1919 hinaus als gesetzlichen Feiertag zu sichern, blieben also vergeblich. Lediglich in den Ländern Braunschweig, Lübeck, Sachsen und Schaumburg-Lippe hatte er nach 1922 Bestand. Die bürgerlichen Parteien argumentierten, dass der Feiertag einer einzelnen gesellschaftlichen Gruppe nicht allgemein verbindlich für die ganze Gesellschaft sein könnte. Aus diesem Grund hatte die SPD 1919 bei den Verhandlungen in der Nationalversammlung dafür plädiert, aus dem Kampftag des Proletariats einen allgemeinen Volksfeiertag zu machen, um, so Reichsminister Eduard David (SPD), ihren Willen zur Klassenversöhnung zu dokumentieren. Viele Unternehmer begriffen Maifeiern aber nach wie vor als Provokation. So fielen die klassenkämpferischen Parolen im “Arbeitgeber”, dem Zentralorgan der Unternehmerverbände, auf fruchtbaren Boden: “Auch in der Republik gilt der 1. Mai der Propaganda des Umsturzes, der Beseitigung des Privateigentums und der Errichtung der proletarischen Diktatur. Gleichgültigkeit gegenüber der Maifeier bedeutet Kapitulation vor dem Marxismus.”

In der Arbeiterbewegung selbst war die Frage, ob und wie der 1. Mai zu begehen sei, sehr umstritten. Die christlichen Gewerkschaften, seit Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem eigenen interkonfessionellen Dachverband vertreten, lehnten die “marxistische Heerschau” ab. Ansonsten waren sie aber kaum weniger streikbereit und traten aktiv für die Interessen der Arbeiter in Fragen der Arbeitszeit und des Arbeitsschutzes ein. Die Spaltung der sozialistischen Arbeiterbewegung zog auch die “Spaltung” ihres höchsten Feiertags nach sich. Während die KPD stärker den Kampfcharakter akzentuierte, beging ihn die SPD weiterhin eher als Festtag.

 

„Zörgiebel ist schuld9

Einen Höhepunkt der Konflikte zwischen SPD und KPD bildete der 1. Mai 1929. „Zörgiebel ist schuld“ schrieb Carl v. Ossietzky in der „Weltbühne“. Am 1. Mai 1929 fanden überall in Deutschland Maidemonstrationen und -kundgebungen statt. Wie immer. Auch in Berlin sollte eine Kundgebung und Demonstration stattfinden – auch wie immer. Aber im Jahr 1929 kam es anders. Die Kommunistische Partei hatte große Erfolge bei den Betriebsratswahlen errungen. Sozialdemokratische Politiker fürchteten, die KPD könnte die SPD-Veranstaltung übertrumpfen. Zörgiebel habe, so schrieb Carl v. Ossietzky, „als Sachwalter des sozialdemokratischen Parteivorstandes,“ den „Maiumzug verboten, sachliche Motive hatte er nicht dafür.“ Die KPD rief trotzdem zur gewohnten Mai-Demonstration auf. Etwa 200.000 Berliner_innen folgten dem Aufruf. Aber jeden Zug, der sich formierte, griff die Polizei an. Die Polizei ging mit Maschinengewehren gegen die Demonstrant_innen vor. Vor der Polizei suchten sich diese durch Straßensperren zu schützen, die sie aus Brettern, umgestürzten Fahrzeugen, Kanalisationsrohren und anderen Gegenständen errichteten. Daraus entstanden am Abend des 1. Mai 1929 in Neukölln und am Wedding Barrikaden. Hier begannen sich Arbeiter spontan mit einigen wenigen selbst beschafften Waffen zu verteidigen. Die Polizei umstellte Stadtbezirke, verhängte den Belagerungszustand und brach dann schießend in einzelne Wohnviertel ein. 10.981 Schüsse feuerten sie laut eigener Abrechnung in den ersten Maitagen aus ihren Pistolen und Karabinern ab. 28 Personen wurden getötet, darunter auch völlig Unbeteiligte und es gab Hunderte Verletzte. Zörgiebel und die sozialdemokratische Parteiführung behaupteten, ein kommunistischer Putsch habe am 1. Mai stattfinden sollen. Die Polizei verhaftete mehr als 1.200 Arbeiter_innen. Es folgten Verbote von Versammlungen und Demonstrationen. Der Rote Frontkämpferbund wurde verboten, das Erscheinen der Zeitung „Die Rote Fahne“ für mehrere Wochen per Verbot unterbunden, auch ein KPD-Verbot wurde erwogen. In vielen Städten solidarisierte sich die Arbeiterschaft mit den Kämpfer_innen und Opfern. Etwa 75.000 Arbeiter_innen traten in Berlin, Chemnitz, Hamburg, Halle und Merseburg in den politischen Streik.

Mai 1933 – Aus „Weltkampftag des Proletariats“ soll „Tag der nationalen Arbeit“ werden

Am 7. Juli 1928 lehnte der Reichstag einen Antrag von KPD-Abgeordneten ab, den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Die NSDAP nutzte dann den Symbolwert dieses Tages und machte den 1. Mai zu einen „nationalen“ Tag der Arbeit. Der Bundesvorstand des ADGB veröffentlichte am 13. April 1933 einen Aufruf an die Gewerkschaftsmitglieder. Darin hieß es: “Wir begrüßen es, dass die Reichsregierung diesen unseren Tag zum gesetzlichen Feiertag der nationalen Arbeit, zum deutschen10 Volksfeiertag erklärt hat. (…) Der deutsche Arbeiter soll am 1. Mai standesbewusst demonstrieren, soll ein vollberechtigtes Mitglied der deutschen Volksgemeinschaft werden.“ Dieser Aufruf stieß allerdings auch auf scharfe Kritik aus den Gewerkschaften.

Am 2. Mai 1933 besetzte SA und SS die Gewerkschaftshäuser, das Vermögen der Gewerkschaften wurde eingezogen, Gewerkschaftsführer wurden verhaftet, viele wurden in den nächsten Jahren ermordet. Der 1. Mai wurde zum militärisch geprägten Spektakel, das dazu dienen sollte, jährlich die dem Führer verpflichtete Volksgemeinschaft zu beschwören. Die Faschisten versuchten ihre Scheingewerkschaft, die deutsche Arbeitsfont, zu etablieren. Alle mussten Zwangsmitglieder werden. Als aber 1936 der Versuch unternommen wurde, in den Betrieben die Betriebsrätewahlen durchzuführen, wurden sie zum Fiasko für die Faschisten: massenhafte Stimmenthaltung, massenhaft ungültige Stimmen. Die Arbeiter_innen waren dem Widerstand, v.a. dem der KPD, gefolgt, und hatten diese Wahlen boykottiert. Es sollten die letzten Wahlen sein, die die Faschisten durchführten.

1. Mai 1945 – Konzentrationslager Buchenwald

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ (aus dem Schwur von Buchenwald, 19. April 1945)

Aus einem Bericht eines Teilnehmers an der Maidemonstration im KZ Buchenwald: „Und hier standen wir nun heute am Morgen des 1. Mai, dem Tag der Freiheit, als Angehörige aus mehr als achtzehn Nationen, ergriffen von der Bedeutung des Tages, der uns entschlossen fand, ihn als Zeichen internationaler Solidarität vor aller Welt zu bekennen und würdig und schlicht zu begehen als Auftakt einer neuen Zeit“

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Maidemonstration 1945 der durch eigenen Kampf befreiten Häftlinge von Buchenwald

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12Der Alliierte Kontrollrat bestätigte den 1. Mai 1946 als Feiertag. Die 1945 bis 1947 neu gegründeten deutschen Länder nahmen den Maifeiertag mit unterschiedlichen Bezeichnungen in ihre Verfassungen auf.

Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus

In der ehemaligen DDR wurde der Tag als “Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus” begangen. Die Mai-Paraden waren staatlich organisiert und eine inoffizielle Pflichtveranstaltung für Betriebe und Schulen. Die Erwachsenen gingen in der Regel mit den Kolleg_innen ihrer Betriebe zur Demonstration mit dem Vorbeimarsch an der Tribüne mit führenden Parteimitgliedern und anderen Ehrengästen. In der DDR war das Recht auf Arbeit, einen Arbeitsplatz, dessen freie Wahl sowie das Recht auf Lohn nach Qualität und Quantität der Arbeit im Grundgesetz als sozioökonomisches Recht verankert. Nachdem 1946 noch 48 Stunden an sechs Tagen in der Woche gearbeitet werden musste, wurde die Arbeitszeit 1957 auf 45 Stunden gesenkt. Ab 1966 wurde die 5-Tage-Woche jede zweite Woche eingeführt. Jeder zweite Samstag war nun arbeitsfrei. Mit dem Ministerratsbeschluss vom 3. Mai 1967 wurde die 5-Tage-Woche dann zum Sommer 1967 endgültig für alle Wochen eingeführt.

Der 1. Mai in der Bundesrepublik

Ab 1946 konnten Gewerkschaften, Sozialdemokrat_innen und –anfangs – Kommunist_innen wieder gemeinsam den 1. Mai feiern und Forderungen stellen. Seit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 1949 zeichnete der geschäftsführende Bundesvorstand für die Maifeiern verantwortlich und beschloss die Maiaufrufe und die zentralen Maiparolen. Ab 1951 wurden die politischen Kundgebungen mit kulturellen Veranstaltungen verbunden. Als Anfang der 1950er Jahre die Wirtschaft zu boomen begann und die Gewinne der Unternehmen in die Höhe schnellten, forderten die Gewerkschaften einen angemessenen Anteil für die Lohnabhängigen am Aufschwung, also Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen: In das Grundsatzprogramm des DGB von 1952 wurde die Forderung nach stufenweiser Durchsetzung der 40-Stunden-Woche an fünf Tagen in der Woche aufgenommen.

Der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhardt (CDU) dazu: “Ein Volk, das auf breitester Grundlage den Wohlstand mehren und auch in Arbeitnehmerhand die Vermögensbildung fördern will. Ein Volk, das, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben, ständig hohe Investitionen vornehmen muss. Ein solches Volk sollte sich nicht Überlegungen nach Verkürzung der Arbeitszeit hingeben.” 1978/79 wurde der erste Arbeitskampf für die 35-Stunden-Woche in der Eisen- und Stahlindustrie  geführt unter dem Motto »Arbeitszeit verkürzen – Arbeitsplätze sichern und neue schaffen«. Nach fast sechs Wochen Streik kam Anfang Januar 1979 der Tarifkompromiss zustande: Neben einer Freischichtenregelung für Nachtschichtarbeiter und ältere Arbeitnehmer, der Erhöhung der Löhne und Gehälter um 4% wurde für alle Stahlarbeiter*innen in Stufen (bis 1982) 30 Tage Urlaub vereinbart.

In weiteren Auseinandersetzungen wurde schrittweise erreicht, dass die Arbeitszeiten in der westdeutschen Metallindustrie zunächst auf 37 Stunden, 1995 dann auf 35 Stunden sanken. Alle Unternehmerverbände versuchen seit dem, diese Regelungen zu unterlaufen oder rückgängig zu machen.

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Der revolutionäre 1. Mai

Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände haben sich in Krisenzeiten stets gemeinsam und verantwortungsvoll für das Gemeinwohl eingesetzt. (…) Konflikte und Interessen-Gegensätze bleiben bestehen, aber in besonderen Situationen werden sie hinten angestellt.“ (Gemeinsame Presseerklärung von DGB und BDA vom 13.03.2020)

Dieser aktuelle Satz ist bezeichnend für die DGB Gewerkschaften und markiert einen Grund – die gepflegte Sozialpartnerschaft – warum sich Linke in Westberlin ab 1968 zum 1. Mai zusammenfanden. Daraufhin rief der Sozialistische Deutsche Studentenbund die Kampagne “Für einen Roten Mai 1969″ ins Leben und in einigen Städten wurden Kundgebungen organisiert. In den 1970er Jahren nach dem Niedrgang des SDS und dem Entstehen unzähliger Gruppierungen in den 1980er Jahren gab es keinen gemeinsamen Umgang mehr mit dem 1. Mai. Das änderte sich in den 1980er Jahren, als sich in vielen Städten unabhängige, autonome, revolutionäre, inetrnationalistische und sonstige Bündnisse bildeten, die unabhängig vom DGB darangingen, den 1. Mai wieder zu einem kämpferischen Tag machen zu wollen. Die aus den ´68ern hervorgegangenen kommunistischen Parteiansätze waren weitgehend zerfallen. Der Spontiflügel der Bewegung löst sich zum einen in der Alternativbewegung auf, zum anderen ging sie in die neuen Autonomen über. Die Grüne Partei als Reformprojekt entstand, bereit all jenen eine Heimat zu bieten, die ihren Frieden mit den Verhältnissen machen wollten.

Das Vorgehen der 1.Mai Bündnisse war dabei unterschiedlich, mancherorts wurden Blöcke auf der offiziellen Demonstration gebildet, mancherorts wurden eigene Demonstrationen organisiert. Dort sollte allen Menschen, die sich als links von den offiziellen DGB-Positionen verstehen, die Möglichkeit gegeben werden, sich zu sammeln, um gemeinsam und wahrnehmbar an die kämpferische Tradition des 1. Mai anzuknüpfen.

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Ein Auslöser für viele der neuen Bündnisse war die Mai Demonstration 1987 in Berlin. Auch dort waren in den Jahren davor schon ein selbstorganisierter Block, ein sogenannter Betroffenenblock bzw. Revolutionärer Block mit über tausend Teilnehmer_innen, der die offizielle Politik der DGB-Spitze ablehnte, auf der DGB Demonstration erschienen, abends gab es eine Feier auf dem Lausitzer Platz. Unter anderem wegen dessen Ablehnung der offiziellen Politik des DGB kam es zu Polizeieinsätzen gegen den Betroffenenblock, die von den Rednern des DGB begrüßt wurden. Auf Grund der negativen Erfahrungen mit einem „Revolutionären Block“ innerhalb der Ersten-Mai-Demonstration des DGB und der positiven Erfahrungen einer Mobilisierung innerhalb des „eigenen Kiezes“ wurde 1988 von Mitgliedern der autonomen Bewegung eine sowohl räumlich als auch politisch eigenständige sogenannte Revolutionäre 1. Mai-Demonstration durch die Bezirke Kreuzberg und Neukölln organisiert.  Hier und hier eine kleine Geschichte des revolutionären 1.Mai in Berlin, und aktuell hier.

Am 1. Mai 1989 tobten in Kreuzberg die heftigsten Straßenschlachten, die Westberlin je erlebt hatte. Während der revolutionären 1. Mai Demonstration, die durch Kreuzberg und Neukölln führt, wurden die Schaufensterscheiben von zahlreichen Geschäften eingeworfen, es kam zu Plünderungen. Am Nachmittag beginnen rund um den Lausitzer Platz heftige Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht, die bis weit in die Nacht andauern.

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Auch in anderen deutschen Städten führen Linksradikale revolutionäre 1.-Mai-Demonstrationen durch oder organisieren einen revolutionären Block in den 1.-Mai-Demonstrationen des DGB. Auch in Hannover bildete sich ein entsprechendes Bündnis, das nach der eigenen Demonstration dann ein Internationales Fest am Lister Turm durchführte.

Wie in Hannover entstanden jedoch in den folgenden Jahren in den Bündnissen immer wieder Richtungskämpfe, die zu Spaltungen und heftigen Auseinandersetzungen führten, in Hannover scheiterten die weiteren Versuche eine eigene Demonstration und das Fest zu veranstalten. In Berlin schrieb eine Gruppe: „Wir haben sowohl die Trennung von den stalinistischen und maoistischen Sekten der RIM (RK und TKP/ML) ausdrücklich begrüßt, weil diese Gruppen mit unserem Verständnis von Emanzipation und Befreiung keine Gemeinsamkeiten haben, als auch zunehmend Kritik an der Politik der AAB entwickelt und artikuliert, deren 1. Mai-Konzept über Jahre hinweg immer mehr zu einem Pop-Event mit ritualhaftem Verlauf und einem unverantwortlichen Umgang mit Straßenmilitanz geworden ist.“

Ab Mitte der 1990er ist die Gegenmobilisierung zu faschistischen Organisationen, die seit 1992 (verstärkt seit 1996/97) ebenfalls versuchten, den 1. Mai politisch zu besetzen, zu einem wichtigen Handlungsfeld insbesondere der Antifaschistischen Gruppen- geworden. So lag zum Beispiel 2008 ein Schwerpunkt linksradikaler Aktivitäten am 1.Mai in der Verhinderung eines faschistischen Aufmarsches in Hamburg. Die Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration des undogmatischen Spektrums fand daher erst um 18 Uhr statt, um eine Teilnahme sowohl an den antifaschistischen Protesten als auch an der Demonstration zu ermöglichen.

2011 in Hamburg nahmen etwa 2500 Menschen an den Aktionen anlässlich des Kampftages der Arbeiterbewegung teil und protestierten unter dem Motto »Klasse gegen Klasse!« gegen Sozialabbau, Rassismus und Krieg. Über 10.000 Demonstrant_innen leisteten um Teil militanten Widerstand gegen 1.100 Nazis, die durch Barmbek marschieren wollten. Die bürgerlichen Medien sprachen von den schwersten Krawallen seit den Hausbesetzungen in der Hafenstraße.

Ausgehend vom Europäische Sozialforum (ESF) gab es ab 2005 für einige Jahre erst in Hamburg, dann in Berlin und auch anderen Städten europaweit parallel den Euro Mayday. Die Organisator_innen erhofften sich durch die Anknüpfung an diese europäische Bewegung der Prekarisierten eine Modernisierung der linksradikalen Aktivitäten am 1. Mai.

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Fast immer wurden die unabhängigen Demonstrationen von massiven Polizeiaufgeboten begleitet, es kam zu immer wieder zu Provokationen seitens der Polizei. Mancherorts wurde der Demozug gestoppt, oft massiv mit Schlagstöcken, Tränengas etc. angegriffen. Dabei kam es oft zu zahlreichen Festnahmen und vielen Verletzten.

 

 

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Keine Polizei auf der DGB-Kundgebung! Der 1. Mai ist unser Tag!

2018 entstand eine Auseinandersetzung über die Rolle der GDP (Gewerkschaft der Polizei) am 1. Mai.Ein Vertreter der GDP sollte auf der DGB –Kundgebung in Bremen sprechen, was aufgrund der Polizeiübergriffen auf der Blockade des AFD Parteitages in Hannover im Dezember 2017 von vielen Gewerkschafter_innen als Skandal empfunden wurde.

Hannover im Dezember 2017: Polizisten brechen einem IG Metaller während einer friedlichen Blockade gegen den AfD-Parteitag doppelt den Unterschenkel und setzen bei einer Temperatur von 0 Grad Wasserwerfer ein. Die IG Metall protestiert in einer Presseerklärung – der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Niedersachsen, Dietmar Schilff, will daraufhin der IG Metall den Mund verbieten, indem er erklärt: „Eine solche Kritik ist unangebracht“. Er findet vielmehr Rechtsbruch und Körperverletzung „verhältnismäßig“, ebenso den NATO-Stacheldraht gegen Antifaschisten und Gewerkschafter. „Die Polizei hat das Grundrecht der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit zu schützen“ (Schilff). Gleichzeitig greift die GdP (Mitgliedsgewerkschaft im DGB!) den DGB an, weil dieser in München und in Frankfurt Räumlichkeiten für Antifaschisten zur Verfügung stellt. Wen also schützt die GdP? (…) Polizeihauptkommisar Dietmar Schilff (GdP) soll in Bremen am 1. Mai, dem internationalen Kampftag der Arbeiterklasse, für den DGB, also in unserem Namen sprechen! Das können wir nicht hinnehmen. Wir haben vielmehr die Diskussion in unseren Gewerkschaften darüber zu führen, die Gegner (geschichtlich wie auch aktuell) der Arbeiterbewegung und unserer Jugend aus unseren Reihen auszuschließen. Dies ist ein unerlässlicher Schritt, wenn wir die Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen machen wollen…” Eine Erklärung und Unterschriftensammlung mit fast 200, darunter vielen gewerkschaftlichen Erstunterzeichnern, wurde am 12.4. im Bremer DGB-Haus übergeben.

Zur Auseinandersetzung gibt ein Dossier im Labornet

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