Der Abend wird mit musikalischen Beiträgen von Holger Kirleis (Piano/Klangobjekte) unterstützt.
um 19.00 Uhr im Pavillon Kulturzentrum Hannover
Erich Mühsam war Dichter und Anarchist. Sein Leben war geprägt von dem Bemühen einer Einigung des revolutionären Proletariats. Beteiligt an der Münchner Räterepublik, verbrachte er danach mehrere Jahre in Festungshaft. Erich Mühsam kämpfte in der Weimarer Republik in der Roten Hilfe für die Freilassung politischer Gefangener als Redner, Publizist und Unterhändler. Er trat aus der Organisation aus, als die Rote Hilfe sich weigerte, die in der Sovjetunion als Konterrevolutionäre verhafteten Sozialrevolutionäre und Anarchisten zu unterstützen. Aus der Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands wurde er wegen seiner Nähe zur KPD ausgeschlossen. Er arbeitete in vielen linken und antifaschistischen Organisationen mit und war einer der eindringlichsten Warner vor der faschistischen Gefahr.
In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde Erich Mühsam verhaftet. In der Nacht vom 9. zum 10. Juli 1934 wurde Erich Mühsam im KZ Oranienburg ermordet.
Das Lied Streit und Kampf benennt beispielhaft, worum es in der Roten Hilfe geht: die Organisation von Solidarität über alle ideologischen Grenzen innerhalb der Linken hinaus – ein Ziel, an dem Erich Mühsam in den 1920er Jahren scheiterte und um das auch heute immer wieder gerungen werden muß.
25 Jahre Rote Hilfe e.V. Hannover
in Kooperation mit Rosa Luxemburg Stiftung und der VVN-BdA
Streit und Kampf
Nicht nötig ist’s, nach Schritt und Takt
gehorsam vorwärts zu marschieren.
Doch wenn der Hahn der Flinte knackt,
dann miteinander zugepackt
und nicht den Nebenmann verlieren!
Schlagt zwanzig Freiheitstheorien
euch gegenseitig um die Ohren
und singt nach hundert Melodien
doch gilt es in den Kampf zu ziehen,
dann sei der gleiche Eid geschworen!
Aktionsprogramm, Parteistatut,
Richtlinien und Verhaltungslehren
schöpft nur aus allen Quellen Mut!
Ein jedes Kampfsystem ist gut,
das nicht versagt vor den Gewehren!
Darum solang kein Feind euch droht,
verschont einander nicht mit Glossen.
Doch weckt euch einst der Ruf der Not,
dann weh das einige Banner rot
voran den einigen Genossen!
Der Gefangene
Ich hab’s mein Lebtag nicht gelernt,
mich fremdem Zwang zu fügen.
Jetzt haben sie mich einkasernt,
von Heim und Weib und Werk entfernt.
Doch ob sie mich erschlügen: Sich fügen heißt lügen!
Ich soll? Ich muß? – Doch will ich nicht
nach jener Herrn Vergnügen.
Ich tu nicht, was ein Fronvogt spricht.
Rebellen kennen beßre Pflicht,
als sich ins Joch zu fügen. Sich fügen heißt lügen!
Der Staat, der mir die Freiheit nahm,
der folgt, mich zu betrügen,
mir in den Kerker ohne Scham.
Ich soll dem Paragraphenkram
mich noch in Fesseln fügen. Sich fügen heißt lügen!
Stellt doch den Frevler an die Wand!
So kann’s euch wohl genügen.
Denn eher dorre meine Hand,
eh ich in Sklavenunverstand
der Geißel mich sollt fügen. Sich fügen heißt lügen!
Doch bricht die Kette einst entzwei,
darf ich in vollen Zügen
die Sonne atmen – Tyrannei!
Dann ruf ich’s in das Volk: Sei frei!
Verlern es, dich zu fügen! Sich fügen heißt lügen